Plastik.
Skopas.
Praxiteles.
321
bildenden Kunst fast ganz negirt und durch ihren wellenförmigen Fluss
sich so sehr von den Aeginetezigruppen ja selbst von den auch in der
Bewegung ruhigeren Parthenongiebelbildern unterscheidet, sind den
Meistern des Pathos so eigenartig und für deren Leistungen so cha-
rakteristisch, dass die Niobiden stets als die Ielauptprobe ihres Styls
werden zu betrachten sein.
Wenn wir uns aber für die Darstellung des Kunstcharakters des
Skopas mit nicht zu reichlichen Berichten und einigen Nachbildungen
begnügen mussten, so scheint es doch ausser dem erwähnten unsichern
Atelierwerke des Meergötterifrieses in der Glyptothek zu München nicht
ganz an originalen Resten von seiner Hand zu fehlen. Wir ersahen
nemlich, dass Skopas auch an der plastischen Ausschnlückung des Mau-
soleum Von Halikarnass beschäftigt, und, während seine jüngeren Ge-
nossen Le o chares, den wir aus einer vaticanischen Nachbildung sei-
nes von jovis Adler geraubten Ganymedes kennen, Timotheos und
Bryaxis an der Süd- und Nordseite arbeiteten, so an der Ostseite
thätig war. 'Allein die zum grösseren Theile schon früher bekannten
Friesreliefss, von welchen die bedeutendste Gruppe den so oft wieder-
kehrenden Amazonenkampf darstellt, sind trotz ihrer theilweise wun-
derbaren Schönheit, trotz der den grossen Meistern dieser Periode eige-
nen Bewegtheit und nicht selten hervortretenden pathetischen Haltung
gewiss nicht auf einen Meister ersten Ranges zurückzuführen, und Ate-
lierarbeit. Die durch die englische Ausgrabung unter Newton 1850
aufgefundenen zahlreichen Fragmente der Statuen aber, die nach
Analogie des Augustusmausoleums wohl in den Intercolumnicn (denn
wo sonst?) standen und von welchen auch wenigstens ein mehr erhal-
tener Torso (Zeus) an der dem Skopas zugeschriebenen Ostseite ent-
deckt ward, sind leidcr zu sehr verstümmelt, als dass sich ein siche-
res Urtheil gewinnen liesse, wie die abweichenden Ansichten verschie-
dener Fachmänner beweisen. Jedenfalls dürften wir auch diese mehr
decorativen Werke nicht neben die berühmteren Einzelarbeiten des
Meisters stellen.
Die Erkenntniss der Kunst des Skopas aber ergänzt sich durch
die Betrachtung seines jüngeren und wohl noch bedeutenderen Zeitge-
nossen P raxiteles. Die Hauptwerke auch dieses Meisters bewegen
sich in ähnlichen Kreisen und verrathen alle dessen Vorliebe für sinnige
Jugendschönheit. Praxitelische Aphroditen sind nicht weniger als fünf
bekannt, worunter die berühmte knidische, die als Weltwunder be-
trachtet, als Sehenswürdigkeit neben den olympischen Zeus gesetzt und
von Kunstliebhabern dergestalt angestrebt wurde, dass z. B. König Ni_
REBER, Gesch. d. a. Kunst. 2 1