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Hellas.
Verfertiger der reichen Prachtlampe des Erechtheion und Erfinder des
korinthischen Capitals, welchen aber als Bildhauer das Streben nach
raffinirter Zierlichkeit und formeller Vollendung zur Düftelei führte, die
ihm auch den Beinamen des Katatexitechnos, des maasslos Sorgfaltigen,
erwarb. Hob später Apelles als seinen Vorzug vor den übrigen Malern
die Charis hervor, erreicht dadurch, dass er zur rechten Zeit die Hand
vom Werke zurückzuziehen wusste, so stimmt damit auch das Urtheil
des Plinius über Kallimachos überein, dass durch dessen übermässig
Heissige Ausführung alle Anmuth verloren gegangen sei. Einen noch
bedenklicheren Abweg zeigt uns Demetrios aus Alopeke in Attika,
der erste Realist. Vorzugsweise Porträtbildner strebte dieser nur nach
sprechender Aehnlichkeit selbst auf Kosten der Schönheit, und erreichte
daher auch in Greisenbildnissen seinen Ruf. Eine 64 Jahre alte Priesterin
und der betagte korinthische Feldherr Pelichos, nder Kahlkopf mit dem
Hangebauch, dem wirren fliegenden Barte und den unter der welken
Haut greifbar vertretenden Aderna, müssen nach der angedeuteten
Schilderung Lt1kian's von idealisirender und verjüngender Schönheit so
weit entfernt gewesen sein, dass vielmehr gerade die Charakterisirung
des schönheitraubenden Alters als das Ziel erscheint, das sich der
Künstler gesetzt hat, wonach dieser neben einem Phidias und Myron
erscheint, wie Thersites unter den Helden vor Troia.
Wenden wir uns nun nach dem zweiten Hauptschauplatze der
Kunstthätigkeit dieser glänzenden Periode, nemlich nach Argos. An
dieser uralten Kunststätte hatte ein dritter Schüler des Ageladas, ein
etwas jüngerer Zeitgenosse des Phidias, Polyklet von Sikyon, die
Kunst in einer wieder anderen Richtung als Myron und Phidias zu einer
eigenartigen Höhe gefördert. Strebte jener nach Typen des inten-
sivsten animalischen Lebens, dieser nach den Idealen absolut göttlicher
Wesenheit, so hatte sich Polyklet die künstlerische Darstellung der
höchsten menschlichen Schönheit, Typen absoluter Vollkommenheit
der körperlichen Erscheinung zum Ziele gesetzt. Schon im Alter-
thume galt daher als sein charakteristischestes Hauptwerk, auf welches
auch mehre erhaltene Statuen zurückzugeben scheinen {Friederichs), der
geradezu als nKanonu (Musterbild) berühmte Doryphoros, ein 1anzen-
tragender Jüngling in ruhiger Stellung, der lediglich als eine Normal-
gestalt mustergültiger Formvollendung gedacht war, zu welcher der
Meister selbst in einer Abhandlung über die Proportionen des mensch-
liehen Körpers gleichsam den Text schrieb. Es ist nicht unwahrschein-
lich, dass Polyklet mit diesem Werke seiner zahlreichen Schule eine
Vorlage hinstellen wollte, von welcher er in seiner so zu sagen akade-