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Hellas.
Also sprach und winkte mit (lunkelen Brauen Kronion
Und die ambrosischen Locken des Königs walleten vorwärts
Von dem unsterblichen Haupt, und es hebten die Höh'n des Olympus.
Dass Phidias sein Vorbild erreicht, bestätigte seine Zeit und die
Nachwelt, so lange sie Gelegenheit hatte, das Wunderwerk zu schauen.
Ja die Gottheit selbst soll es gebilligt haben; denn als nach einer schönen
Legende der Meister bei Vollendung des Werkes um ein Zeichen des
Wohlgefallens vom Himmel gefleht, soll ein Blitzstrahl durch das Hyp-
äthron des Tempels gezuckt und an der Stelle in den Tempelboden
geschlagen haben, welche späterhin durch einen schwarzen Stein be-
zeichnet war.
Wenn aber durch das ganze Alterthum das Gefühl ging, der olym-
pische Zeus des Phidias sei das grossartigste und ein wahrhaft göttliches
Kunstwerk, welches nicht gesehen zu haben als ein Unglück zu beklagen
sei, dessen Anblick aber Sorgen und Schmerzen erquickend von der
Seele nehme, so müssen wir. statt auf die declamatorischen Lobes-
erhebungen der Alten im Einzelnen einzugehen, vielmehr suchen, uns
der Vorzüge bewusst zu werden, durch welche dieselben gerechtfertigt
waren und welche zugleich das Charakteristische des Meisters bilden.
Dass wir uns vor Allem jede alterthümliche Befangenheit, wie sie noch
bei einem Ageladas oder Kalamis geherrscht haben muss, überwunden
zu denken haben, ist klar. Aber auch vollständige, nicht blos alle
bisherigen Resultate zusammenfassende, sondern nahezu absolute Form-
correctheit verbunden mit einer nie vorher gesehenen idealen d. h. über-
erfahrungsmässigen Schönheit, konnten noch nicht die höchsten Be-
wunderungsgründe sein, obwohl beide namentlich in Anbetracht der
enormen Schwierigkeiten, welche die chryselephantine Technik im Treiben
des Goldblechs, im Bereiten, Schaben und Fugen des dem Meissel un-
zugänglichen Elfenbeins und endlich in der Befestigung am Holzkern
entgegensetzte (Quatremere de Quincy), nicht gering zu schätzen sind.
Das Wesentliche lag eben in der grossartigen, sich in wahrhaft gött-
lichen Idealen verkörpernden Idee, welche sich der menschlichen Formen
nur als der Worte bediente, mit denen der erhabene Gedanke zum Aus-
druck gebracht wurde. Der Meister hatte sich das höchste Ziel gesetzt,
nemlich den Gottesbegriff in höChStCr Steigerung, wie er in Athene, der
Göttin des Geistes, und in Zeus, dem König der Götter, vorlag, zur
Anschauung zu bringen. Daher die grosse Zahl von" Athenen, welchen
sich Aphrodite Urania, die grosse whimmlischea Göttin, das weibliche
Princip im Weltall, anschliesst; daher die geringe Zahl menschlicher
oder heroischer oder untergeordnet göttlicher Darstellungen, in welchen