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Hellas.
stände keinen Zusammenhang. Denn die Mehrzahl seiner Werke sind
Siegerstatuen, welchen Heroendarstellungen in etwas genreartiger Be-
handlung zur Seite stehen. Von den ersteren rühmen Pausanias und
Plinius die des Euthymos als eine der vorzüglichsten des ganzen Sta-
tuenwaldes von Olympia; von den letzteren aber wurde der hinkende
Philoktet, bei dessen Betrachtung man den Schmerz der unheilbaren
Fusswunde des Heros mitzuempfinden glaubte, selbst in Epigrammen
gefeiert. Um nun einen solchen Eindruck hervorzubringen, genügte es
nicht, das Leiden im Beine selbst zu charakterisiren, sondern es musste
der Schmerz der Wunde sich im ganzen Körper aussprechen, in Gang,
Haltung und Geberde, in der zusammenhängenden Spannung aller Mus-
keln wie in der einseitigen Kraftanstrengung der gesunden Hälfte. Der
hinkende Philoktet illustrirt uns daher eine sonst fast unverständliche
Charakteristik des Meisters, wie sie Diogenes von Laerte mit den Wor-
ten gibt, Pythagoras habe zuerst Rhythmus und Symmetrie berücksich-
tigt. Denn die einheitliche Bewegung (Rhythmus) unter Beibehaltung
der Abgewogenheit und des Gleichgewichts (Symmetrie), welch letztere
allein bei starkbewegten Figuren das Gefühl der Sicherheit und harmo-
nischer Vollendung verleiht, ist das, was den Philoktet so sprechend
machte und was jedenfalls auch seine Siegerstatuen, die vielmehr die
Kampfart oder die Vorbereitung dazu als Porträts, zu welchen letz-
teren nach Plin. XXXIV. 16. nur dreimalige Sieger berechtigt waren,
darzustellen oder anzudeuten hatten, auszeichnet. Wenn demnach das
Verdienst des Meisters in der organischen Naturwahrheit der bewegten
Gestalt zu beruhen scheint, so widerspricht dieser Annahme keineswegs
auch des Plinius freilich kleinliches Urtheil, Pythagoras habe zuerst Seh-
nen und Adern ausgedrückt und das Haar sorgfältiger modellirt; denn
gesteigerte anatomische Beobachtung wie die natürlich freie Haarbil-
dung kamen der organischen Bewegtheit und der Naturwahrheit jener
Werke naturgemäss zu Statten.
In dieser Richtung, nemlich, nach Brunn's bezeichnendem Aus-
druck, in der Durchführung einer Bewegung an allen bewegenden und
bewegten Theilen des Körpers, ward jedoch Pythagoras noch übertrof-
fen von dem grossen Böotier Myron. Ein Erzgicsser wie jener erlangte
auch dieser seinen Ruhm auf dem Gebiete der Siegerstatuenbildnerei,
wenn er auch in anerkennenswerther Vielseitigkeit zahlreiche Götter-
und Horendarstelltingen schuf. Von seinen Siegerstatuen waren zwei
hoch gefeiert: der Läufer Ladas und der Discuswerfer, beide zu den-
jenigen gehörig, welche die Art des siegreichen Spieles selbst darstell-
ten. Denn Ladas war in dem Momente wiedergegeben, in welchem er