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Hellas.
und geschärft, indem er nicht mehr auf die blos theilweise, sondern auf
die ganze Erscheinung, ihr Wesen und Gesetz sich richtete. Hierin
dürfte wohl Athen am erfolgreichsten thätig gewesen sein, wie mehre
alterthümliche Werke, die sich unmittelbar an die wagenbesteigende
Frau anschliessen, zeigen. Betrachten wir zunächst die statuarischen
Reste, so zeigt uns an erster Stelle die an der Nordseite der Akropolis
von Athen gefundene Athenestatue, welche dem attischen Künstler En-
doeos beigelegt worden ist, den Grad des Fortschritts. Strenge Be-
handlung des Einzelnen, Wie des Haares, der Gewandfalten, der Aegis
u. s. W. verbindet sich bereits mit einem zwar nicht von Härte freien
aber scharfen Verständniss des Körperbaues und der Functionen der
Glieder, welche sich von dem rein symmetrischen Banne, wie er an den
milesischen Kolossen und z. Th. noch am Apollo von Tenea sich zeigt,
lösen. Aehnlich verhält es sich mit den1 kalbtragenden Hermes aus
Athen, dessen Kopf und Haar zwar noch bis zur Unschönheit streng
sind, dessen Rücken und Arme aber sammt dem naturgemäss an den
Beinen gehaltenen und um den Nacken geschmiegten Kalbe sicheres
Verständniss verrathen. Nicht minder deutlich tritt uns der Fortschritt,
trotz der jenen obenbehandelten angeblichen Apollostatuen analogen
Auffassung, in der nahezu 1 M. hohen Bronzestatuette des Apollo
im Louvre mit der griechischen Inschrift Athanaa dekaton (der Athene
aus den Zehnten) entgegen, wenn anders die Ursprünglichkeit des
Styles feststeht und das Werk nicht vielmehr, was ich jedoch bezweifle,
zu der Gruppe der nachgeahmt alterthümlichen Werke gehört; oder in
dem Strangfordschen Marmorapollo unter Lebensgrösse im britischen
Museum, welchen Conze zwischen den Apoll von Tenea und die Aegi-
neten stellt.
Dieselbe Erscheinung bieten die Reliefwerke vom Anfang des
5. Jahrhunderts v. Chr. dar. S0 das Relief auf einem marmornen Brun-
nencylinder aus Korinth, die Zusammenführung des Herakles und der
Hebe darstellend, welches zwar noch die silhouettenartige Contourirung,
die kleinliche Parallelfaltelung wie das Ornamentale der Drapirung über-
haupt und das Schreiten auf beiden Sohlen charakterisirt, während je-
doch das Befangene nicht mehr den Eindruck der Unbeholfenheit, son-
dern eher des strengen Maasshaltens und stylvoller Anmuth, die sich
namentlich in Gcwandung und Handbewegung äussert, macht. Es ist
der fertige strenge Styl, der alle laxe Unsicherheit abgestreift und für
Nebendinge eine Formel gefunden hat, um sich der harmonischen
Durchbilduilg des Ganzen hingeben zu können. Derselbe begegnet uns
auf einem neuerlich zu Thasos gefundenen und in das Louvremuseum