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zu können. Doch erscheint die Schwäche des Uebergangs von der
Vorderansicht des Oberkörpers zur Seitenansicht der Beine minder auf-
fällig, wie an den ägyptischen und assyrischen Denkmälern, und Perseus
wie Herakles zeigen in den Versuchen der Vermittlung die Freiheit von
jener typischen Verknöcherung bestehender Fehler, welche die Kunst
am Nil wie am Tigris charakterisirt. Hat man sich einmal von dem
ersten Eindruck, den die monströsen weil unproportionirten Gestalten
machen, befreit, so üben diese Werke den erigenthümlichen Reiz eines
ernsten Strebens bei noch anhaftender Unbehülflichkeit, das den end-
liehen Erfolg an gelungenen Einzelheiten unverkennbar andeutet und
davon wenigstens frische Keime zeigt.
Nicht dieselbe Selbständigkeit und frische Unmittelbarkeit als Natur-
studien zeigen die ältesten hellenischen Sculpturen Kleinasiens. Dort
waren die Einflüsse zu mächtig, die von Mesopotamien, Phönikien,
Cypern und selbst von Aegypten her sich geltend machten, als dass
die Kunst sich von ihnen ganz unberührt und lediglich nach den von der
Natur gebotenen Vorbildern hätte entwickeln können. Denn wenn auch
die sitzenden Kolosse, welche die heilige Strasse vom Hafen Panormos
bis zum didymäischen Apollotempel bei Milet zierten, dem Inschrift-
charaktei" nach ungefähr in die Zeit um 5 30 v. Chr. gehörend, in der
Behandlung der Körperformen und namentlich der Gewandung mit ihrer
gleichwohl spärlichen aber naturgemässen Faltenlage das griechische
naturalistische Element nicht verkennen lassen, so ist doch auch un-
leugbar, dass die sphinxalleenartige Aufreihung wie die memnonartig
thronende Stellung dieser Priester und Priesterinnen des Apollotempels
an ägyptische Ideen, wie die Fülle der Körperformen sammt dem tek-
tonischeif Detail der Stühle an assyrische oder näher liegende phöni-
kische Tradition gemahnt. Der letztere Einfluss scheint noch ener-
gischer aufzutreten an den wohl etwas jüngeren Friesreliefsßdes dorischen
Tempels von Assos in Troas (jetzt im Louvre) , deren scheinbar hoch-
alterthümliche Formenrohheit und Unbestimmtheit indess zum grossen
Theil von dem Abfallen der über das sehr poröse Material gelegten
Stuckverkleidung herrühren dürfte, in welcher das Bildwerk erst seine
schärfere Ausführung erhalten hatte. Doch auch in den verwitterten
Resten ist noch der Einfluss jener Technik in getriebenem Bronzeblech
zu erkennen, welche wir als syro-phönikisch bezeichnet haben, und die
in der etrurischen Bronzearbeit, welche sogar verwandte Darstellungen
geliefert iWagen von Perugiaji, ihre nächste Analogie findet.
Im interessanten Gegensatz zu diesem weichformigen Bronzeblech-
styl steht jener Styl, wie ihn ein Relieffragment von Samothrake, ver-