Plastik.
Empästischer Schildschmuck.
Erhaltene Steinmonxlmente.
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den vier schmalen Stahlstreifen in einer sinnvollen von Brunn zweifellos
richtig gewürdigten Weise. Während nemlich in jenen Gruppen das
Princip der radianten Linien an den Figuren vorherrscht, macht sich
hier das der periphcrischen entschieden geltend. So an den nicht
aufrecht wie die Menschen einherschreitenden Ebern und Löwen des
innersten Stahlringes, bei welchen im Gegensatze zu den aufrecht-
schreitenden Menschen die Horizontale überwiegt, ferner auf dem
nächstfolgenden in dem durch einen Fischer staffirten Hafen mit fisch-
reichem Wasser, über welches gedehnten Laufes der von den Gor-
gonen verfolgte Perseus hineilt, dann an dem gestreckten Laufe des
Wagenrennens auf dem dritten Streifen, und endlich nicht minder an
dem Okeanos mit Fischen und Schwänen des äussersten vielleicht eben-
falls stahlbeschlagenen Ringes, welcher wie am homerischen Schilde in
den unfehlbar stylisirten Wellen selbst eine ornamentale Peripherie und
einen dem Sinne wie der Linienführung nach höchst befriedigenden
Abschluss darstellt.
Unsere Anschauung der bildnerischen Thätigkeit Griechenlands im
heroischen Zeitalter stellt sich demnach neben dürftigen Notizen pro-
saischer Gewährsmänner fast ausschliessend aus Dichtern her, welchen
behufs Verkörperung ihrer natürlich poetisch gesteigerten Schilderungen
nur die Analogien ninivitischer Reliefs und namentlich altgriechischer
Vasenbilder unterstützend zur Seite stehen. Doch fehlt es auch nicht
gänzlich an erhaltenen Werken jener Periode, von welchen freilich einige
zwar hochalterthümliche aber doch schwer datirbare kunstgeschichtlich
unbrauchbar sind. Sicher in Bezug auf ihre Hierhergehörigkeit sind
nur zwei, und auch von diesen entzieht sich das eine, die schon in der
Ilias (XXIV. 613) erwähnte Niobe am Berge Sipylos bei Magnesia eben-
falls der stylistischen Charakterisirung. So grob gearbeitet oder so
verwittert, dass schon ein antiker Augenzeuge (Pausanias) sagt, sie sei
in der Nähe nur ein rauhes Gestein, welches das Bild einer mensch-
lichen Figur gar nicht erkennen lässt und nur für die Ferne eine wei-
nende und niedergebeugte Frau darstellt, was sich bei Wiederauffindung
des dreifach lebensgrossen Felsenreliefs in neuerer Zeit bestätigt fand,
machte es nicht einmal die Herstellung einer befriedigenden Zeich-
nung der unklaren Formen möglich. Um so bedeutender aber ist ein
zweites ebenfalls vorhomerisches Denkmal, das ältest bekannte Bildwerk
Griechenlands und Europas, nemlich das Relief über dem von ihm
sogenannten Löwenthor von Mykene, dem als Zeugen vom Auszug des
Agamemnon und vom Untergang seines Hauses ehrwürdigen Haupt-
thore der Atridenburg daselbst (Fig. 173). In architektonischer Hin-