Plastik.
Kein Zusammenhang mit Aegypten.
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Werken durch die hochsitzenden Ohren, die langgeschlitzten etwas
schief gestellten Augen, die breiten Wenig erhöhten Nasen, die wulsti-
gen Lippen scharf von den althellenischen unterscheiden. Ferner ist die
ägyptische Gestalt schlank, die althellenische (Selinunt) gedrungen;
die Schultern sind dort hoch gezogen und breit, hier herabhängend
und schmal, die Hüften dort eingezogen, hier breit (Apoll von Tenea
und von Thera). Das Gewand an ägyptischen Werken ist elastisch und
daher ohne natürlichen Fall und entsprechende Faltenbildung so um
den Körper gespannt, dass man oft nur die Enden erkennt, oder in
breiter Masse eckig und schwer zusarnmengedrängt; das wenige Stoff-
liche dagegen, was an althellenischen Werken erscheint, zeigt schon
von vornherein sorgfältige Naturbeobachtung: Fall und Drapirung, er-
freulich selbst an misslungenen Versuchen, weil auch diese das Bemühen
des Künstlers verrathen. Denn wie selbst die fehlerhaften freien Zeich-
nungen eines talentvollen Knaben, der Gesehenes wiederzugeben ver-
sucht, als hoffnungerweckend mehr anregen als die Patronen- und Pau-
senarbeit eines Handwerkers, so lassen auch die ältesten griechischen
Arbeiten bereits das noch schlummernde Talent und die Entwicklungs-
fähigkeit ahnen, welche der handwerklich tüchtigen Kunst Aegyptens
fehlen.
Im Zusammenhalt mit diesen gewichtigen Gründen gegen die Ab-
hängigkeit der ältesten griechischen Plastik von der ägyptischen müssen
die beiden Umstände unzulänglich erscheinen, Welche allenfalls noch
dafür geltend gemacht werden können. Erstlich die Ansicht mehrer
alten Schriftsteller, welche zwar den Satz nicht ausdrücklich ausspre-
chen, aber doch unverkennbar andeuten, dass sie die älteste Plastik
Griechenlands der ägyptischen für verwandt halten, und da die letztere
weitaus älter war, auch in einem entsprechenden Abstammungsverhält-
nisse zu dieser sich dachten. Ein Diodor und ein Pausanias aber nah-
men es mit ihren Kunsturtheilen bekanntlich nicht sehr genau und Ver-
traten in diesem Fall auch so wenig die allgemeine Ansicht des Alter-
thums, dass sie nie Gelegenheit nahmen, die Sache zur bestimmteren
Behauptung zu formuliren. Sie liessen sich täuschen durch eine gewisse
äusserliche Aehnlichkeit, welche auch Neuere getäuscht hat und als
weiterer Grund für die Abstammung des Hellenischen vom Aegyptischen
geltend gemacht worden ist. Diese Aehnlichkeit beruht zunächst in
jener Steifheit statuarischer Werke, welche jeder primitiven Kunst eigen
ist; dann aber in dem Engangeschlossenen und Gestreckten der Arme
und Beine, welche die gleichfalls ursprüngliche Oekonomie in Material
und Arbeit hier wie dort auferlegte. Wenn aber die griechische Kunst