Plastik.
Bedeutung.
Anfänge.
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und erforschend. Und wenn von der hellenischen Architektur mit Recht
behauptet worden ist, dass ihre seit der genaueren Kenntniss der Monu-
mente mögliche Wiederbelebung im Ganzen sich nicht empfehle, so wird
doch Niemand anstehen, die hellenische Plastik in ihren höchsten Schö-
pfungen als absolut mustergültig anzuerkennen und deren beherrschen-
den Einfluss auf die Kunst der Gegenwart nur zu wünschen. Niemand,
selbst wenn er sich entschliessen könnte, in dem gothischen Dome eine
höhere künstlerische Leistung zu erblicken wie im dorischen Peripteros,
wird den Sculpturen des antiken Orients oder der christlichen Völker
des Mittelalters und selbst der Renaissance den Vorzug geben können
vor den Marmorschätzen, wie sie jede grössere Antikensammlung ver-
einigt.
Ist desshalb der hellenischen Plastik unter den Leistungen der ge-
sammten antiken Kunst unbestritten die Palme zuerkannt worden, so
ziemt es sich, derselben die meiste Aufmerksamkeit zu widmen und sie
als Mittel- und Brennpunkt der gesammten Kunstgeschichte des Alter-
thums zu behandeln. Hiezu gibt auch das reiche Material der classischen
Ueberlieferung, wie namentlich der massenhaften in den Museen aller
Hauptstädte bewahrten und zugänglichen Reste die Möglichkeit, noch
erleichtert durch den Umstand, dass der Fleiss kunstgelehrter und ar-
chäologischer Forscher sich keinem Gebiete der gesammten Kunst mit
solcher Liebe und so bedeutendem Erfolge zugewandt hat, wie diesem.
So liegt denn auch die Entwickelungsgeschichte der hellenischen Plastik
in den Hauptzügen so gesichert vor, wie die keines anderen antiken
Kunstbetriebes, wenn auch in manchem Einzelnen noch verschiedene
Ansichten bestehen, deren Vertretung, Begründung und Bekämpfung
jedoch nur zur weiteren Läuterung dienen kann.
Die ziemlich lebhafte Fehde, welche schon die Frage über die er-
sten Anfange hervorgerufen, darf jetzt als beigelegt gelten, seit der ver-
meintliche ägyptische Ursprung (Thiersch, Ross, F euerbach, I. Braun,
Stahr) widerlegt oder wenigstens auf spätere secundäre Einflüsse
(Friederichs) reducirt worden ist. In der That stellen sich die ältesten
griechischen Monumente mit ägyptischen Sculpturen verglichen als de-
ren reine Gegensätze dar, welche den behaupteten Zusammenhang nim-
mermehr möglich machen. Die ägyptische Kunst behandelt ihre Ob-
jecte nach rein messenden Grundsätzen und schematisch nach typischen
Netzen, sie zieht daher die Plastik in das Gebiet der Architektur her-
über, welcher sie sich auch sclavisch unterordnet. Das Bildwerk wird
sogar Architekturglied, durch Gleichartigkeit, symmetrische Regelmäs-
sigkeit und massenhafte Wiederholung, durch welche z. B. Osirispfeiler