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Hellas.
hören ferner rein private Werke ohne Monumentalcharakter: So das
riesige Zelt für die dionysische Pompa Pt0lemäus' II. Philadelphos, mit
seinen palmen- und thyrsenförmigen prachtvollen Stützen, seiner kup-
pelartigen Decke, den geheimen Grotten u. s. w. Ferner der Thala-
megos, die kolossale Nilbarke oder vielmehr die schwimmende Palast-
anlage, welche Ptolemäus IV. Philopator erbaute, mit ihrem gekuppel-
ten Aphroditentempel und mehren Sälen, von welchen einer mit Fries-
reliefs, deren elfenbeinerne Figuren auf goldenen Grund geheftet waren,
und mit korinthischen Säulen, deren Capitäle aus gleichen Materialien
bestanden, geschmückt war, während ein Speisesaal im ägyptischen
Style oder in ägyptischer Saalform hergestellt und der sog. bacchische
Saal mit einer grottenförmigen Apsis versehen war.
Bei solchen Werken spielte neben der bis zur Barbarei masslosen
Prunksucht auch noch technisch-mechanisches Raftinement eine bedeu-
tende Rolle. Schon I-lieron II. von Syrakus hatte unter Leitung des Ar-
chimedes durch Archias ein monströses Schiff erbauen lassen, das, haupt-
sächlich für Getreidetransport bestimmt, zugleich eine ganze Stadt mit
Gymnasium, Parkanlage, Thürmen, Prachtgemächern, Speisesälen
u. s. W. darstellte und bei drei Verdecken zwanzig Ruderreihen besass,
und selbst diese Schöpfung vermochte Ptolemäus IV. mit seinem Rie-
senschiff zu vierzig Ruderbänken zu verdoppeln. Kurz Kolossalität und
Pracht und ein wahnsinnig überbietender Wetteifer unter den Nachfol-
gern Alexanders des Grossen erstickten die wahre Kunst um so sicherer,
als diesen Bestrebungen nicht die Solidität zur Seite ging, welche die
römische Architektur, so viel sie auch von den krankhaften Einflüssen
der hellenisch-barbarischen Despoten des makedonischen Erbes auf-
nahm, doch vor ähnlicher Fäulniss bewahrte.
Plastik.
Noch grössere und unbeschränktere Bewunderung als die Archi-
tektur verdient die Plastik Griechenlands. Lieferte auch die hellenische
Architektur Ideale von Monumenten, wie sie die schöpferische Kraft
keines anderen Culturvolkes erreichte, obschon es" einigen spätern Pe-
rioden gelang das Problem einer künstlerischen Raumentwicklung glän-
zender zu lösen, so gelangte die hellenische Kunst in der Plastik auf
eine Höhe, welche die Kunstthätigkeit der gesammten späteren Zeit nur
noch zu ahnen, niemals jedoch wieder zu erwecken, geschweige denn
zu überbieten vermochte. Seit Jahrhunderten schöpft die Culturwelt aus
diesem unerschöpflichen Born in unbedingter Anerkennung einer über-
legenen Meisterschaft, lernend oder wenigstens geniessend, bewundernd