Volltext: Kunstgeschichte des Alterthums

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Hellas. 
hervorquillt. Anderseits bietet aber Athen an dem um mehr als ein 
Jahrhundert älteren choragischen Denkmale des Lysikrates (334 v. 
Chr.) ein schönes Beispiel eines korinthisirenden Phantasiecapitäls dar, 
welches schon durch blattförmige Canellurenden am Schafte i wie 
diess auch an dem Beispiel zu Bassae befunden ward) vorbereitet 
war. In unterer Reihe von einem etwas kleinlichen Kranz aus unge- 
zackten Blättchen bestehend entfaltet es in zweiter Reihe ein glän- 
zendes Bouquet aus Akanthosblättern und Blumen, während ein drittes, 
an Höhe abermals zunehmendes Glied mit prachtvollem Rankenwerk 
bedeckt ist, welches die Palmette bereits in den Abakus empordrängt. 
Finden wir aber auch hier die so wesentlichen Eckvoluten wieder, so ist 
doch eine zu schroffe Gliederung und wiederholte entkräftende Ein- 
ziehung an diesem Capitäl zu tadeln, wodurch der einheitliche kelch- 
artige Kern empfindlich negirt wird. 
Wahrscheinlich erreichten erst in der Mitte des zweiten Jahrhunderts 
v. Chr. die korinthischen Capitäle jene Form, welche wir unter diesem 
Namen verstehen. Der olympische jupitertempel zu Athen, dessen 
Unterbau (natürlich für ein Werk dorischen Styls) schon von Pisistratus 
hergestellt worden war, erhielt seinen korinthischen Säulenschmuck erst 
unter Antiochus Epiphanes 176-164 v. Chr. ; jedoch bereits unter der 
architektonischen Leitung eines Römers, Cossutius, und thatsächlich 
nur, um für Rom Material zu liefern; denn kurze Zeit darauf wurden die 
Säulen von Sulla weggeführt und zur Wiederherstellung des abgebrann- 
ten capitolinischen Heiligthums in Rom benutzt. Man darf annehmen, 
dass diese Säulen des Cossutius in der Weltstadt als die mustergültigen 
Vorbilder betrachtet wurden und daher epochemachend für die korin- 
thische Ordnung wurden, auf welche sich jetzt die Römer mit Vorliebe 
warfen. Denn das korinthische Capitäl entsprach sowohl ihrer Pracht- 
liebe, wie es auch in Bezug auf die Anwendung nicht die Schwierig- 
keiten darbot, wie sie besprochenermassen der ionische an den Ecken 
und im Friese auch der dorische Styl bereitete. 
Der Blätterschmuck des Capitäls wucherte aber bald auch in's Ge- 
bälk hinüber, und drängte zur Vermehrung und Vergrösserung der 
Zierglieder. Die auffallendste Aenderung, welche hier dadurch hervor- 
gerufen ward, betraf den Zahnschnitt, welcher sich in die laubreichen 
Kragsteine mit ihrem doppelspiralischen Profil, den Parotides des 
ionischen Portalsturzes nachgebildet, aber statt vertical horizontal an- 
gebracht, verwandelte. Es ist daher lediglich als geistlose Reduplication 
der prunksüchtigen römischen Verfallzeit zu betrachten, wenn zu den 
Kragsteinen auch die Zahnschnitte wieder aufgenommen wurden. Die
	        
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