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Hellas.
aber der Capitälkern die erste Aufgabe, die Ausladung, erfüllt, vollzieht
der angelegte Blätterschmuck in ebenso leichter als eleganter, aber fast
zu spielender Weise den Uebergang zum Rechteck, indem die oberen
Ranken nach den Ecken der dünnen Deckplatte hinausgreifend und
unter denselben sich spiralisch rollend dem Capitäl oben und zwar schon
vor der Platte annähernd quadratische Gestalt verleihen.
Gibt es aber in der hellenischen Kunst überhaupt keine streng ca-
nonische Form, welche sich erst der nüchtern praktische und daher der
Schablone bedürftige. Römer abstrahirte, während sie der entwicklungs-
volle Hellene verschmähte, so kann man bezüglich des korinthischen
Capitäls sogar behaupten, dass jener Typus, welchen wir an römischen
Monumenten finden und seit Jahrhunderten millionenfach verwenden,
in eigentlich griechischer Zeit noch gar nicht existirte, wie überhaupt
die Ausbildung der ganzen korinthischen Ordnung erst ein Werk der
Römer war. Bei den Griechen tritt uns das korinthische Capitäl als ein
Phantasiecapitäl entgegen, bei welchem nichts feststand als Blätter-
schmuck am kelchförmigen Kern. Wie unvollkommen dieser ursprüng-
lich angeordnet war, zeigt ein schon erwähntes Capitäl des Apollotem-
pels von Bassae in Arkadien, dessen Inneres neben den alterthümlichen
ionischen Säulen auch die unreifste korinthische Capitälform darbietet
(Fig. 162). Der einzige Blätterkranz unten erweist sich zum Schmuck
des ganzen Körpers als zu dürftig, von welchem die vier zu den Abaken-
enden aufsprossenden blattbedeckten Ranken zu viel bloss lassen, als dass
Spiralen und Palmetten nebst einigen lediglich aufgemalten Zierden zur
Ausfüllung ausreichen könnten. Die Platte zeigt weder ein gewelltes
Profil, noch sculpirten Blattschmuck, sondern ein lediglich aufgemaltes
dorisirendes Mäanderornament; dagegen tritt uns bereits die concave
Schweifung der vier Seiten entgegen, welche den Rankenspiralen ent-
gegenkommend und ihnen eine entschiedenere Ausladung ermöglichcnd
doch die Platte nicht ungehörig vergrössert, anderseits aber auch der
concaven Schwingung des Capitalkörpers einen harmonischen Abschluss
verleiht.
Einen namhaften Fortschritt zeigt das wohl etwas jüngere Capitäl
einer Halbsäule aus dem Innern des didymäischen Apollotempels von
Milet (Fig. 163), bei welchem bereits ein doppelter Akanthosblätter-
kranz sich um den Kelch legt, dessen obere Reihe jedoch nicht gleiche
Höhe zeigt, indem jene Blätter, die den Spiralenranken an den Ecken
zum Auflager dienen, weiter emporquellen, während die vier dazwi-
schenliegenden zurückbleiben, um die Anbringung eines zierlichen Pal-
mettenschmuckes, der später in den Abakus übergriff, noch am Capitäl-