Architektur.
Beschränkte Ausbreitung des ion. Styls im Westen.
Das korinth. Capitäl
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nach welcher ein Korb voll Spielsachen, von der zärtlichen Amme auf
das Grab eines korinthischen Mädchens gesetzt und in Frühlingszeit von
den Blättern und bis zur Deckplatte sich emporschlingenden Schösslin-
gen einer unter dem Korb hervortreibenden Akanthospflanze umwuchert,
dem Kallimachos zum Modell gedient habe. Denn dazu bedurfte es des
Korbes nicht, da im ganzen Nilland das Kelchcapitäl verbreitet war und
sonach den Griechen bekannt sein musste. Nur konnte nicht auch der
ägyptische vorzugsweise in Papyrus und Lotos bestehende Blätter-
schmuck nach Griechenland versetzt werden, da diese Gewächse dort
als nicht heimisch der architektonischen Verwerthung widerstrebten, für
welche überall die nationale Kunst unter dem vegetabilischen Schmuck
der heimatlichen Erde Bildsames zu wählen pfiegte. Wie nach diesem
Grundsatz Eichen, Disteln, Reben und Epheu der germanischen Archi-
tektur entsprachen, so konnte der Hellene keine glücklichere Wahl
treffen als durch die Stylisirung seiner Distel, des Akanthos, deren For-
menschönheit selbst das deutsche Weinlaub übertrifft.
Dem zunehmenden Streben nach Schlankheit, welches dem ioni-
schen Styl eigen, kam das korinthische Capitäl auf's förderlichste ent-
gegen. Zugleich ermöglichte es eine harmonischere Verbindung von
Säulen- und Antenbekrönungen, wie ja gerade an den letzteren der
Blätter- und Rankenschmuck sich vorbereitet zu haben scheint. Endlich
aber entsprach es dem Wesen desCapitäls, wenn auch mehr in ab-
stracter als künstlerischer Weise, vollkommener als alle vorausgegan-
genen Bildungen. Während nemlich sonst die beiden Aufgaben, Aus-
ladung einerseits und Ueberführung von der Kreisform zum Rechteck an-
derseits durch zwei Glieder ausgesprochen werden, zwischen welchen eine
engere Vermittlung doch wieder fehlt, ist hier beides in ein Glied ge-
legt und somit auf's innigste verschmolzen: Denn der Capitälkern gibt
die Ausladung, welche sich allerdings seiner Höhe entsprechend steiler
gestaltet als an dem dorischen und ionischen Echinus, und überdiess
statt einer wie dort convexen Abweichung von der naturgemässen gerad-
linigen Diagonale zu einer den leichten Eindruck des Gebälks, dessen
Last ohne Rückwirkung auf die Stütze erscheint, so wesentlich beding-
enden concaven greift. Dass aber auch hier wie in umgekehrter Weise
am Echinus die geradlinige Diagonalform, wie sie nur an primitiven
Versuchen oder in tiefer Verfallzeit, z. B. am byzantinischen Trapez-
capitäl, auftreten konnte, vermieden ward, ist ebensosehr auf Rechnung
des ästhetischen Gefühls, welches an allen Vermittlungsgliedern ein Cur-
venprofil fordert, wie auch gerade hier auf die des bereits seit einem
Jahrtausend vorliegenden ägyptischen Vorbildes zu setzen. Während
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