Architektur.
Die ionischcn Dcnkxnälel
Verfall in Kleinasiem
Athen.
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Der oktastyle Peripteros des Apollo zu Klaros bei Kolophon, wie
der Haupttempel von Pessinus in Galatien erweisen sich schon durch
deutliche Ver-fallsspuren als beträchtlich jünger. In die Zeit des Beginns
unserer Zeitrechnung sogar dürften aber zwei grossartige Tempel zu
setzen sein, von welchen sich noch imposante Ruinen erhalten haben,
nemlich der panhellenische Zeustemlael bei dem heutigen Aizani und das
vielleicht sogar noch jüngere Aphroditenheiligthum von Aphrodisias
(Fig. 1 5 7). Uebermässige Schlankheit der Säulen (i o Durchmesser Höhe),
Ueberwuchern des Ornaments Selbst bis in die Canellurenanläufe und
Spiralencanäle, Pfeilspitzen im Kyma (Eierstab), Verkümmerung des
Zahnschnittes und Verdoppelung dieses Gliedes durch Kragsteine, wo-
von später, verrathen bereits den Prunkstyl der Cäsarenzeit.
In einer ganz besonderen und sowohl an einfachen wie an reichen
Werken noch weit geschmackvolleren Weise als in Kleinasien entwickelte
sich der ionische Styl in dem vonviegend ionischen Attika. Wie der
dorische Styl zu Athen seine Vollendung gefunden, so sollte neben dem
Musterwerk des Parthenon auch das glanzvollste Werk des ionischen in
dem sog. Erechtheion sich erheben, damit die Akropolis die hervorra-
gendsten Werke jeder Kunstrichtung vereinige, und sich auch in archi-
tektonischer Allseitigkeit und Vollendung an die Spitze der hellenischen
Welt stelle, an welche sie in politischer Wie in geistiger und sonst künst-
lerischer Beziehung getreten war. Charakteristisch ist den attisch-ioni-
schen Werken zunächst vornehmlich die sog. attische Base und das
zahnschnittlose Gebälk. Die erstere legt im richtigen Gefühle der Un-
abgeschlossenheit der ionischen Bildung derselben noch einen Torus
unter, so dass die Base selbst ihre Symmetrie, im Prohl aber einen
Rhythmus gewinnt, dessen Schönheit kaum mehr gesteigert werden
könnte, indem jetzt zwei geschwellte und zwei eingezogene Glieder in
den beiden Toren wie in der Hohlkehle zwischen beiden und oberhalb
im Schaftaillatif im wohlthuendsten Schwung einander wechselnd folgten.
Für den Zahnschnitt aber fehlte es den Attikern an Verständniss seines
Wesens und sie zogen es daher auch vor, das Kranzgesimse, an dessen
schräge Abwärtsneigung man vom dorischen Style gewöhnt war, etwas
zu unterhöhlen, und sich mit den Blattwellen und Astragalen zu begnü-
gen, von welchen die ersteren ebenfalls zu Athen ihr schönstes Profil
wie ihre vollendetste Detaildurchbildung gewannen.
Die spärlichen ionischen Denkmäler im europäischen Hellas lassen
indess die Entwicklung des attisch-ionischen Styls nur sprungweise ver-
folgen. Die lnnexisäulen des Apollotempels in Bassae, von welchen schon
oben die Rede war, gehören nicht in diese Reihe; denn diesen, welche