Volltext: Kunstgeschichte des Alterthums

Architektux 
Die erhaltenen ionischen Denkmäler. 
Aeltere Periode. 
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schliessen fast geradlinig ab. Am auffälligsten alterthümlich aber tritt 
uns das lediglich als eine an den drei Seiten vorgeheftete Decoration 
erscheinende Volutencapitäl entgegen. Denn dieses scheint dadurch auf 
alle Körperlichkeit und Funetion zu verzichten, dass es den würfelartigen 
Capitälkern als allein tragend noch über das Volutenglied emportreten 
lasst, indem dieses am oberen Rande sich nicht zur Geraden streckt, 
sondern in seinem Bogen gar keinen Bezug auf den darauffolgenden 
Epistylbalken zeigt, und dass die Spiralenansieht sich an den drei Seiten 
ohne organische Verbindung untereinander einfach wiederholt. Der 
enge Zwischenraum zwischen den beiden Spiralen jeder Seite wird durch 
Ranken und eine Palmette leidlich gefüllt und geschmückt, so dass es 
der Ausführung des Echinus nicht bedurfte. Das Gebälke ist als im In- 
nern der Cella betindlich nicht vollkommen durchgeführt; der mit vor- 
züglichen Reliefs bedeckte Fries aber, jetzt eine der Hauptzierden des 
britischen Museums, verräth im schroffen Contraste zu der Alterthüm- 
lichkeit der Säulenfurmen einen bis zu grosser Freiheit entwickel- 
ten Styl. 
Die ionische Küste Kleinasiens bietet, soviel bis jetzt bekannt, aus 
der archaischen Periode wenig Proben; denn der Artemistempel zu 
Ephesos, nach Plinius der älteste (peripterale) Tempel dieser Ordnung, 
ist nicht blos in seiner ersten Gestalt durch den herostratischen Brand 
zu Grunde gegangen, sondern selbst auch in seiner späteren alexandri- 
nisehen nicht mehr mit Sicherheit nachweisbar. Von einem zweiten 
ionischen National- und Prachtheiligthum, dem Heriion zu Samos, das 
dem Artemision ungefähr gleichzeitig gewesen sein musste, lieferten die 
wüsten Trümmer namentlich noch einige Fragmente uncanellirter Säu- 
len von 1,6 M. Durchmesser mit Basen, deren Torus und ionisch  h. 
mit breiten Stegen) canellirter Hohlkehlenplinth in Höhe und Profil das 
Gepräge hohen Alterthums nicht verkennen lässt (Fig. 15 3). Die bei- 
den genannten Tempel galten als so bedeutend, dass ihre Architekten, 
wie diess unter den dorischen Monumenten mit dem Parthenon geschah, 
sie durch besondere Monographien commentiren zu müssen glaubten; 
die Schriften des Chersiphron und Metagenes aus dem kretischen Kno- 
sos über den Artemistempel in Ephesos, wie des Theodoros, des Tele- 
kles Sohn aus Samos, über das Heräon daselbst werden noch in römi- 
scher Kaiserzeit erwähnt.  
Waren schon diese Tempel, welche um die Mitte des sechsten Jahr- 
hunderts-v. Chr. entstanden, peripteral und von bedeutenden Dimen- 
Sionen, so wurden sie doch wenigstens an Kolossalität noch von einem 
dritten Nationalheiligthtim entschieden übertroffen, das fast ein jahr-
	        
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