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Hellas.
Diess geschah durch eine Doppelneuerung, mit welcher sich auch
der Typus des hellenischen Tempels vollendete, nemlich durch die
Ringsumführung der Säulenhalle (Peripteros) und die Durchführung
des Steinbaues an der Stelle der Gebälkbildung in Holz. Es ist in hohem
Grade wahrscheinlich, dass diese gewaltige Umwälzung gleichzeitig vor
sich ging und alle hervorragenden Cultstätten umgestaltete, während
die vorausgängigen Tempelformen, wie Antentempel, Prostylos und Am-
phiprostylos, neben dem Peripteros nur noch in untergeordneter Uebung
blieben und ebenfalls durchaus in Stein hergestellt wurden. Mit dem
Ueberwiegen der decorativen äusseren Erscheinung über das Lirsprüng-
liche constructive Wesen hatte auch die monumentale Bedeutung über
das blos Zweckliche den Sieg davon getragen. Das Monument aber for-
derte gleiche Solidität und, soweit überhaupt sichtbar, Gleichartigkeit
und Gleichwerthigkeit in Bezug auf den Stoff. Deckbalken und Sparren
verbargen sich hinter ihren vorgestellten Steinsymbolen, diese aber ge-
Wannen in Bezug auf ihre Disposition eine von der Decken- und Dach-
construction unabhängige Freiheit. Der vollständig durchgeführte Stein-
bau machte es nöthig, die Abstände der tragenden Glieder zu vermin-
dern und zunächst die Säulen, abgesehen von gesteigerter Gedrungen-
heit, namhaft enger zu stellen, was bei bleibendem Holzgebälke, wie in
Etrurien, überflüssig war. Das Steinkranzgesimse, welches bei grosser
Schwere doch nicht die Höhe und somit Spannfähigkeit der Architrav-
blöcke haben konnte, machte ferner eine weitere Zwischenstütze ZXVl-
sehen den einzelnen Säulen, d. h. statt der Beschränkung der Trigly-
phen auf die Säulenzahl eine weitere Triglyphe über jedem Interco-
lumnium ebenso zuträglich, wie die dadurch ungefähr gleichwerdende
Breite von Triglyphen und Metopen dem Auge eineifwohlgefalligeren
Rhythmus darbieten musste. Die Metopen endlich brauchten, weil sie
als Fenster ohne Bedeutung waren, nicht mehr geöffnet zu bleiben, wo-
durch die bisherige Fessel in deren Locirung verschwand; ihr Schluss
durch leichte Tafeln war auch für die einheitliche monumentale Wirkung
und für die grossartige Wucht der Erscheinung des Ganzen nur von
Vortheil. Doch kann man sich über die Pietät nur verwundern, mit
welcher die traditionellen Formen im Einzelnen selbst bis in's Kleinste
erhalten wurden, während man bestrebt war, ihnen eine wahrhaft künst_
lerisch stylisirte Gestaltung und jene Proportionen zu geben, welche so
wesentlich dazu beitrugen, den dorischen Peripteros zum edelsten und
vollendetsten Erzeugnisse der Architektur aller Zeiten zu machen.
Können wir auch über den Zeitpunkt dieser Vollendung des helle-
nischen Tempels keine lverlässige Auskunft geben, so steht doch so viel