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Hellas.
o. jahrh. v. Chr. uns in einer Höhe zu denken, welche die älteren Cul-
turvölker wie die Aegypter und Chaldäer kaum jemals erreichten, denn
so phänomenartig auch die Erscheinung jener Epen gewesen sein mag,
so konnten sie doch nicht so hoch über ihrer Zeit stehen, dass diese,
welche sie doch offenbar nur in verklärtem Lichte spiegeln, sie nicht zu
begreifen und zu geniessen fähig gewesen wäre. Mit dieser geistigen
Höhe steht jedoch die der bildenden Kunst im seltsamsten Contraste,
und zeigt diese von der Poesie bei weitem überflügelt; denn wenn auch
gewisse tektonische, textile undgkeramische Leistungen (Holz- und
Bronzegeräth, Webstoffe und Thonwaaren) nicht unbedeutend gewesen
sein mögen, erscheint doch das Beste ausgesprochener Massen als Im-
port von asiatischen Culturländern ; grössere Dinge aber, wie nament-
lich Architektonisches, entweder in hohem Grade urwüchsig oder, wenn
das eigene ungeschulte Vermögen nicht zu genügen schien, in einer
nach Styl und. Technik offenbar fremdländischen Weise verziert. Die
homerischen Gesänge wissen noch nichts vom Säulentempel, nichts von
künstlerischen Götterbildern, nichts von einer der Bedeutung der fürst-
lichen Heroen angemessenen Behausung. In viel späterer Zeit noch
konnte sich ein Spartaner, der gewohnt war mit Säge und Axt seine
Hütte selbst aufzurichten, wundern über rechteckig behauene Balken der
Decke, welch" letztere er nur in dem Stangenholz hergestellt kannte, wie
wir es z. B. an lykischen Blockhausgräbern nachgebildet gefunden haben.
So dürfen wir uns selbst die Paläste der Könige denken, von wel-
chen der Sänger der Odyssee in der Beschreibung des Königshauses
auf Ithaka eine so anziehende Vorstellung gibt, wobei wir uns allerdings
nach neuerer Forschung nicht mehr auf die unzuverlässige Localuntersu-
chung Gell's beziehen dürfen. Das Ganze mochte einem ländlichen Ge-
höfte nicht unähnlich gewesen sein: Eine Umfriedungsmauer umschloss
den Complex mit vorliegendem Hofraume, dessen von Schweinen und
Gänsen umlagerter Düngerhaufen, das Lager des alten Hof hundes, der
allein nach Homer's hier wahrhaft idyllischer Schilderung seinen rück-
kehrenden Herrn erkannte und im Verenden noch einmal wedelnd be-
grüsste, die ländliche Parallele nahe genug legt. Ein Thorweg führt
dann zu dem innern, dem Peristyl späterer Anlage entsprechenden und
in der Mitte mit einem Altar geschmückten Hofe, den wir uns aber ohne
Säulenschmuck und auch sonst sehr einfach vorstellen müssen, denn es
wurden Ziegen und Rinder ohne Bedenken hineingetrieben, um dort
geschlachtet zu werden. An diesen reihten sich einerseits die Männer-,
anderseits die Frauengemächer an, letztere in so loser Verbindung und
in solcher Abgeschlossenheit, dass die tumultuarische Ermordung der