lenische Slzunmverhältnisse
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suchend, deren Küsten allein von Wcrth schienen, und wie in Asien das
Hellenenthum an den Westrand Kleinasiens gebannt war, so drängte
sich im europäischen Griechenland die gesammte Entwicklung der Ost-
küste zu, den Italien gegenüberliegenden WVesten dagegen mehr ver-
nachlässigend, als die frühzeitig colonisirten Küsten von Unteritalien
und Sicilien. Der Archipel selbst bildete bequeme Standquartiere und
Vorposten nach beiden Seiten, bot auch wohl in seinen zahlreichen In-
selhäfen Schutz vor den rauhen Stürmen jenes Meeres, das in seiner
berüchtigten Tücke der verhältnissmässig unentwickelten Nautik des
ältern Griechenland doppelt gefährlich war. Nach dem Gange der Welt-
geschichte kann es aber nicht Wunder nehmen, wenn deren Strömung
nach Westen entsprechend die europäisch dorische Cultur weniger nach
Asien als die ionische nach Europa tibergriff und wenn auf europäischem
Boden jene Vereinigung und Doppelblüthe zur Entfaltung kam, die wir
in Athen bewundern, und zwar, wie diess schon von der Natur ange-
deutet war, an der vorgeschobensten Zunge des europäischen Griechen-
land. Dafür rückte in dieser Culturschiebung der Dorismus, dem die
üppige ionische Einwirkung Kleinasiens im eigentlichen Hellas das Ter-
rain verengte, abermals weiter westwärts, und warf sich auf die Küsten
jenseits des adriatischen Meeres, deren Denkmäler für die Geschichte
der dorischen Cultur einen so reichen Beitrag liefern.
Die lebhaften Verkehrsströmungen, welche sowohl über die Asien
und Europa trennenden Meere und Meerengen als auch zwischen dem
europäischen Festlande und der Peloponnes hin und her wogten, liegen
auch den Sagen von den hellenischen Stammwanderungen und nament-
lich von der sog. dorischen Wanderung zu Grunde; die naturgemäss
etwas gespannten Beziehungen der hellenischen und halbhellenischen
Völker diessseits und jenseits des ägäischen Meeres dagegen den Sagen
vom Argonautenzug und vom troianischen Kriege, welche beide den
Stempel einer gewissen seeräubcrischen Rivalität nicht verleugnen kön-
nen. Der verhängnissvolle Mangel an Einheitsgefühl aber, der in der
verschiedenen Entwicklung der einzelnen Länder wie in den Nachbar-
Verhältnissen beruhte, konnte sich nicht deutlicher als durch denUm-
stand aussprechen, dass es den Stämmen, welche sich doch insgesammt
als durch eine unübersteigliche Kluft von allen anderen Völkern, den
wBarbarena geschieden und diesen in geistiger Beziehung unendlich
überlegen fühlten, doch an einem gemeinsamen Namen gebrach, denn
die Bezeichnung Hellenen ist eine verhältnissmässig junge.
Die homerischen Gesänge zwingen uns die geistige Entwicklung
des Volkes, dem der unsterbliche Dichter angehörte, wenigstens im