Der salomonische Tempel. 145
schwierig macht eine verlässige Vorstellung des salomonischen Tempel-
gebäudes zu gewinnen. Auch darüber, 0b diese Säulen in dem Ein-
gange als architektonische Stützen oder functionslos vor demselben
aufgestellt waren, mussten verschiedene Ansichten entstehen, indem die
Bibel sie in, an und vor der Vorhalle nennt. Wenn wir uns, im Ge-
gensatze gegen höchst namhafte Autoritäten, mit Bähr (der salomonische
Tempel S. 206 fg.) zu der letzteren hinneigen, so geschieht diess, ab-
gesehen von den durch frühere Erklärer beigebrachten Gründen (Hane-
berg, die relig. Alterthümer d. Bibel S. 246 Anm. 152), deshalb, weil
in einem 14 Ellen weiten Eingang zwei Säulen von je 4 Ellen Durch-
messer für die drei Intcrcolumnien nur 6, somit für jedes 2 Ellen d. h.
soviel als die Hälfte des unteren Säulendurchmessers übrig liessen. Ob-
wohl sie demnach wie die ägyptischen Obeliske mehr allegorischer und
monumental-decorativer wie architektonischer Bedeutung gewesen zu
sein scheinen, würde es doch für Bestimmung des Styls am salomo-
nischen Tempel und rückwirkend "für die Kenntniss des phönikischen
Styls von hohem Werthe sein, wenn wir in der Lage wären, die aus-
führliche Beschreibung, welche uns die Bibel von ihren Capitälen gibt,
zu entwirren. Eine klare Vorstellung ermöglicht nur die Angabe, dass
die vier Ellen hohen Capitale Lilienform hatten. Daraus durfte zu-
nächst als Grundform derselben der Blumenkelch, mithin eine den ägyp-
tischen Kelchcapitälen nicht zu ferne stehende Bildung hervorgehen,
und in der That zeigt auch eine Säule in den Substructionsgewölben des
Tempelareals ein wunderlich schweres Beispiel der Art, das jedoch,
obwohl im Kerne von offenbar alterthümlichem Profil, in dem akanthos-
artigen Schmuck eine spätere griechische Einwirkung verräth. Ferner
aber ist zu bemerken, dass der blosse ägyptische Kelch ohne besondere
Zuthat noch nicht an die Lilie erinnern kann, als deren Charakteristi-
cum die aufgerollten Blätterenden bezeichnet werden müssen, und dass
gerade dieser Vergleich die Volutenbildung an den Capitälen voraus-
Setzt. Ich denke mir jedoch diese Voluten und überhaupt das ganze
Capitäl trotz der canellirten Schäfte und einiger anderer kaum ver-
Ständlicher Andeutungen nicht persisch, da die persischen Archi-
tekturformen nicht so weit über Cyrus hinaufzurücken sein dürften, son-
dem mehr dem assyrischen verwandt, ja wir finden auf phönikischem
Boden selbst in den Felsenreliefs des Passes von Maschnaka (vgl. oben
Fig. 93) die sprechendsten Analoga. Die übrigen Zuthaten von Ketten-
Werk, Netzen, hängenden Granatäpfeln u. s. w., wie sie der Bericht
Chaotisch aufzählt, leisten jedem Erklärungsversuch im Einzelnen den
unbesiegbarsten Widerstand; wenn aber dabei noch am ehesten an eine
Runen. Gesch. d. a. Kunst. 1 Q