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Phönikien, Palästina und Kleinasien-
einerseits die Erzeugnisse von beiden Seiten an sich zog und durch
seinen Welthandel vertrieb, anderseits aber seine eigene Industrie zum
grossen Theile diesen Ländern widmete, so konnte diess auch bei dem
Volke nicht anders sein, das künstlerisch ebenso sehr von den Phöni-
kiern abhing, wie das älteste Rom von den Etruskern, neinlich bei den
Israeliten. Doch musste bei diesen das Aegyptische noch um einen
Grad stärker vertreten sein, weil sie ja auf ägyptischem Boden erst zum
Volke erwachsen waren, und ohne Zweifel von dort viele Vorstellungen
und Dispositionen wie Detailformen in das gelobte Land verpflanzten.
Diess zeigt schon die Stiftshütte und dann auch der Tempel, welchem
bekanntlich in Bezug auf die Anlage jene Lager-Cultstätte zu Grunde lag.
Die Stiftshütte (Fig. 94), wie wir seit Luther das Zeltheiligthum der
so lange in der Wüste nomadisirenden Israeliten zu nennen pflegen, ist
ihrem NVesen nach eine Uebertragung des dreithciligen ägyptischen
Tempelsystems mit Hof, Vorsaal und Cella auf die bewegliche Zeltan-
lage. Die _]uden konnten ja beim Auszuge nach so langem Aufenthalt
in Gosen nichts als das Aegyptische kennen, so dass wir kaum irren,
wenn wir zunächst vor ihrer Berührung mit den Phönikiern uns Alles
ägyptisirend denken. Am wenigsten mochte diess noch bei der Allge-
meinheit einer solchen Umfassung der in die Tiefe gestreckte recht-
eckige Hof (a) mit seiner 50 Ellen breiten Vorderseite und doppelt so
grosser Lange gezeigt haben. Diese Umfriedung war jederseits durch
(bei doppelter Zählung der Ecksäulenj elf beziehungsweise einundzwanzig
säulenartige Zeltstangen aus Akazienholz bewerkstelligt, welche, in einer
Höhe von 5 Ellen mit silbernen Knaufen geschmückt, in bronzenen
Basengestellen standen und wohl den Stangensäulen auf ägyptischen
Wandgemälden ähnlich zu denken sind; an diesen aber waren, und
zwar wie es scheint ohne verbindende Querstangcn, Vorhänge unter
den Knäufen befestigt und so herumgespannt. Diese Vorhänge waren
weiss und unbeweglich mit Ausschluss der Abstände zwischen den fünf
mittleren Ständern der Fronte an der Ostseite, wo bewegliche Zelttücher
in hyacinthenem rothen und purpurnen Byssus angebracht waren. Die
Stiftshutte (b) stand nicht in der Mitte dieser Umfriedung, sondern war
mehr an die Westseite gerückt, wahrscheinlich so, dass ein Quadrat von
50 Ellen im Gevierte vor ihrem Eingange freigelassen wurde, in welchem
der 5 im Gevierte und 3 E. in der Höhe messende, aus Erde mit Holz-
Verschalung aufgebaute Brandopferaltar (c) und das eherne Becken (d)
ihren Platz hatten, während an den drei übrigen Seiten der heiligen
Hütte bis zur Umfriedung sich noch ein Abstand von je 20 Ellen ergab,
eine Disposition, welche zwar nicht ausdrücklich angegeben wird, aber