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Phönikien, Palästina und Kleinasien.
Napoleon I. Anlass und Möglichkeit die Erforschung der phönikischen
Reste systematischer ins Werk zu setzen, als bisher geschehen war. Die
Schwierigkeiten waren nicht geringer wie in Chaldäa: vdas Lande, sagt
E. Renan, welcher die Untersuchungen zu leiten beauftragt war, nist
jetzt vollkommen verödet. Die Abholzung hat allenthalben ihre ver-
derblichen Wirkungen geätissert. der Humus, Jahr für Jahr von den
Bewohnern der wenigen Dörfer weggeführt oder von den winterlichen
Regenströmen fortgerissen, ist von dem entblössten Felsengrund ver-
schwunden; die mehr und mehr versiegenden Quellen wurden zu
schwach um allen Widerstand zu überwinden und bis an das Meer zu ge-
langen: gehemmt durch Anschwemmung und Dünenbilduilg erfüllen
sie die Ebene mit giftigen Sumpfdüilsten. so dass das einst so blühende
und bevölkerte Land jetzt zur verpesteten Wüste geworden ist. welches
meilenweit kaum eine Hütte zeigte.
Die erhaltenen Denkmäler gruppiren sich um fünf auch den hervor-
ragendsten phönikischen Handelsplätzen entsprechende Küstenpunkte.
nemlich Ruad (Aradusl, Amrith (Marathus), Dschebeil (Byblus), Saida
(Sidon) und Sur (Tyrus), welche in der angegebenen Reihe von Nord
nach Süd auf einander folgen, während sich an den letzteren Punkt süd-
lich noch Gabr-Hiram und Um-cl Auamid mit mehr vereinzelten Denk-
mälern anschliessen. Beyruth (Berytus) . jetzt die bedeutendste Stadt
des ganzen einstigen Phönikien, bietet am wenigsten dar, am meisten
die jetzt vollkommen öde Ruinenstätte von Marathus, die nur in dem
Bache Nahr-el-Amrith noch den altberühmten Namen bewahrt. Mit
Paltus, Balaneia, Karne und Enhydra von dem uralten schon in den
mosaischen Büchern genannten Aradus gegründet, das selbst ausser
imposanten Mauerresten von gewaltigen Quadern wenig monumental
Bedeutendes ergab oder vielmehr in Folge des Fanatismus der jetzigen
Bewohner von Ruad finden liess. war Marathus wohl dessen bedeutendste
Tochterstadt, bis auch sie mit den Mutter- und Schwesterstädten von
dem erst in römischer Zeit auf blühenden Antaradus, dem mittelalterlichen
Tortosa, verdunkelt ward.
Die Ruinenstätte von Amrith gibt durch die erhaltenen Reste so-
wohl vom phönikischen Tempelbau als auch von den Grabdenkmälern
eine ungefähre Vorstellung. Unter mehren Cultanlagen hat sich nemlich
eine in sehr anschaulichem Zustande erhalten, noch jetzt von den Ein-
gebornen el Maabed ijTempel) genannt. Sie besteht aus einem 55 M.
langen und 48 M. breiten rechteckigen Areal (Temenos), das vertieft in
den Felsenrucken gehauen ist. so dass es auf drei Seiten durch senk-
rechte bis zu 5 M. hohe Felswände eingeschlossen wird. während an der