Plastik.
Mythologische Reliefs.
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Greifen mit einem kurzem Schwert durchbohrt. Die beifolgende Abbil-
dung (Fig. 8 5) gibt eine dieser seltsamen mythologischen Darstellungen.
Die männliche Figur, mit einem Diadem geschmückt und sonst im
Haupte von dem assyrischen Typus höchstens durch eine längere we-
niger vorspringende Nase und durch einige Beschränkung des Haar-
und Bartwuchses sich unterscheidend, hat im Nackten, d. h. in Armen
und Beinen, etwas schlankere Formen, dafür aber bei weicherem, einiger-
massen hellenisirendem Fluss des Umrisses weniger Modellirung als wir
sie am Tigris gefunden haben, wodurch der Eindruck gewaltiger Mus-
kelkraft, wie der frappanten und gesunden Iälnergie der Handlung, wie
sie, der assyrischen Kunst eigen, verloren geht. In der Gewandung fin-
det sich auch nichts mehr von dem sackartig Enganschliessenden, mit
der reichgemusterten Behandlung der faltenlosen Flächen, sondern ein
freilich nicht zu glücklicher Versuch von Drapirung und freiem NVurf
der Gewandstoffe, der jedoch einer complicirten-Bildung, wie sie z. B.
hier auftritt, schon gar nicht gewachsen ist. Ich glaube darin asiatisch
hellenische Einwirkung zu erkennen, die freilich auf ziemlich sterilen Bo-
den Hel, und ebenso wenig verständlich wirkt, als die Anordnung dem
Künstler selbst völlig klar gewesen zu sein scheint. Die Bundschuhe
benehmen auch dem etwas verkümmerten Fusse die wahren Formen,
schwingen sich aber namentlich an den Sohlen in einer selbst die nackte
Erscheinung übertreibenden Weise; der von den Griechen damals längst
errungene Fortschritt, bei den sich bewegenden Gestalten den zurück-
Stehenden Fuss so zu heben, dass er nur an der Spitze den Boden be-
rührt, blieb jedoch den Persern ebenso fern wie die Kunst, den ganzen
Körper an der Bewegung theilnehmen zu lassen, so dass keine Hand-
lung als eine wirkliche in der Fortsetzung des dargestellten Bewegungs-
momentes sich vollziehende erscheint, sondern lediglich den Eindruck
einer erstarrten Position macht: die Gestalt ist weder im Stande das
Thier von sich abzuwehren, noch den tödtliehen Stoss durch einen wei-
teren Nachdruck zu vollenden. Ebenso versteinert stellt sich der Greif
dar, der hier mit Adlerkopf und Federschwanz, an anderen Darstel_
lungen mit Löwen-Haupt und Scorpionensehweif erscheint. Sowohl die
Löwenpranken an den Vorderfüssen, wie die Adlerklauen an den Hin-
terfüssen sind in Angriffsstellung, eine Tatze fasst den rechten nach dem
Kopf des Monstrums greifenden Arm, die andere den linken Arm, der
dem Thier das breite stark zugespitzte Schwert in den Unterleib stösst,
Während eines der vogelartigen Hinterbeine sich gegen das Knie der
männlichen Gestalt stemmt: allein es ist nirgend ein energisehes Fassen,
Pressen oder Einkrallen, wie wir das an assyrischen Bildwerken finden,