Plastik.
Unselbstständigkeit.
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Sie opferten jedoch mit diesem Heranziehen hellenischer Eigenthüm-
lichkeit, mit diesem Verquicken mesopotamischer und ionischer Kunst-
weise gerade die Ursprünglichkeit und stylistische Einheit, und machten
dadurch ihre Plastik zu einem widerwartigen Zwitterbilde unverarbeiteter
Elemente. Dass bei dieser todten Richtung auch der Schaffensdrang
zurücktrat und die Kunst sich räumlich mehr und mehr beschränkte, um
zuletzt zu rein ornamentaler Uebung zu verschrumpfen, ist sehr begreif-
lich. Man konnte überdiess eher aufhören, nach assyrischem Vorbilde
die Wände mit Plastik förmlich zu bedecken, als die persische Archi-
tektur selbst weit mehr als die Mesopotamiens ihre Aufgabe erfüllte,
und aus eigenen Mitteln bestritt, was dort Plastik und Malerei decken
musste.
Persische Rundbilder kennen wir gar nicht. Doch sind noch mehre
Beispiele von den halb im Runden gebildeten monstrosen Kolossen er-
halten, welche uns von der assyrischen Plastik bekannt sind. Sie unter-
scheiden sich in Erfindung und Detail, in ihren Verhältnissen wie in
ihrer Placirung fast gar nicht von den assyrischen, nur dass sie etwas
trockener sind und in ihren striemenartigen Sehnen und Adern wie in
den fast zum Ornament stylisirten Muskeln und Haaren die Lebendig-
keit der ninivitischen Werke eingebüsst haben. Die ornamentale Ten-
denz bemächtigt sich namentlich, und zwar hier mit bestem Erfolge, der
Fittiche, welche sich im Gegensatze zu den geradlinigen Federlagen
der Vorbilder am Tigris jetzt zu jenem schmuckvollen, aber unwahren
Schwunge umbilden, den wir von den griechischen Greifgestalten ken-
nen. In bester Erhaltung treffen wir diese Kolosse noch an den Pro-
pyläen des Xerxes beim Aufgange der Terrasse von Persepolis, und
Zwar an der Vorderseite vollkommene Stiere mit verhältnissmässig unbe-
deutenden Köpfen, an der Rückseite dagegen die schon beschriebenen
Cherubs mit langbärtigen tiarenbekrönten Menschenköpfen. Man
möchte fast vermuthen, dass diese rein assyrischen Portalkolosse ge-
radezu als mesopotamische Trophäen zu betrachten sind, und sich erst
im Laufe der Zeit im persischen Palastbau eingebürgert haben.
Die wahrscheinlich in Backstein hergestellten Wände erhielten die
Steinverkleidung mit dem reichen plastischen Schmuck, wie er die as-
Syrischen Palastwände überwucherte, nicht, indem sich davon Reste er-
halten haben müssten. Die Wandflächen waren daher wohl mit Male-
reien geschmückt, worüber die Vermuthungen unten noch geprüft wer-
den sollen; in dem Maasse aber, in welchem die plastische Auszierung
zurücktrat, vermehrte sich die architektonische Belebung durch Thüren,
Fenster und Blenden mit ihren mehrfach abgestuften Pfosten und blätter-