Albrecht
Dürer.
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mehr meist der eigenen Umgebung entlehnt und sind oft ganz ori-
ginell verwertet. Eifriges Einzelstudium verraten die im Vorder-
grunde der landschaftlichen Kompositionen verstreuten Pflanzen,
die Thausing sogar botanisch zu bestimmen unternimmt. S0 unter-
scheidet er im Vordergrund des Hofer Altars (1465), eines Jugend-
bildes des Meisters, Ranunkel und Hauhechel, Himmelschlüssel und
Borretsch, im Peringsdorfer Altar (ca. 1490) Klee, Akelei, Lilien,
Zichorien und Glockenblümchen. Diese Ausführlichkeit in der Dar-
stellung der Pflanzen ist durchaus kein Novum, und wollte man
eine derartige botanische Statistik z. B. bei den Werken der köl-
nischen Schule durchführen, so dürfte man ein stattliches Herbarium
zusammenstellen können, ohne doch damit den Nachweis geführt zu
haben, dafs diese Schule landschaftlich bedeutende Werke geschaffen
hat. Uns interessiert dieser Zug bei Wolgemut wohl hauptsächlich
darum, weil wir ihn in den Pflanzenstudien seines Schülers (s. u, p. 89)
wiederzufinden glauben. Ebenso ist man geneigt, die realistische
Wiedergabe einzelner fränkischer F achwerkbauten in den Landschaften
Wolgemuts als Vorstufen zu Dürers Vedutenzeichnungen zu be-
trachten. Es soll ein gewissenhaftes Naturstudium und ein offener
Blick für die Landschaft Wolgemut durchaus nicht bestritten wer-
den, nur erklären seine nüchternen Leistungen den gewaltigen
Fortschritt Dürers auf diesem Gebiet ebensowenig, wie etwa die
Landschaftsgründe der burgundischen Miniaturen die Leistungen
Jans van Eyck.
Vollends abweisen mufs man die Anschauung Thausings, dafs
man in Wolgemuts Städteansichten in der Schedelschen Chronik
"die Anfänge einer selbständigen Landschaftsmalerei" zu sehen habe.
Abgesehen davon, dafs bereits vor der Herausgabe dieser Chronik
die Holzschnitte zu Breydenbachs Reise nach Jerusalem und Tho-
man Lyrers Chronik von Schwaben, die Thausing selbst anführt,
sowie die älteren Bibeldrucke (z. B. die Augsburger deutsche Bibel
von 1470) I) ganz ähnliche Behandlung des Landschaftlichen zeigen,
liegt die Frage nahe, inwieweit diese Leistungen des Formschnittes
1) Muther, Bücherill. d. Gotik und Frührenaissance T. 3, vgl. auch die Holz-
schnitte bei Dutuit, manuel de Pamateur d'estampes I, pl. 24 und pl. 35.