76 Martin Schongauer und die ober-deutschen Meister. Albrecht Dürer.
es das Gefühl technischer, vor allem koloristischer Schwäche und jener
namentlich bei gröfseren Aufgaben stets eintretende handwerkliche
Betrieb, der eine liebevolle Durchbildung der Landschaft, wie sie
uns in der flandrischen Kunst entgegentrat, hinderte. Wir durften
uns daher mit einem kurzen Überblick an dieser Stelle begnügen,
weil selbst die heivorragenderen Meister von den handwerks-
mäfsigen Durchschnittsleistungen ganz zu schweigen meist un-
selbständig und unbedeutend in der landschaftlichen Darstellung,
nur einen matten Reflex jenes gewaltigen Fortschrittes spüren
lassen, der sich in den flandrischen Landen vollzogen hatte.
Albrecht
Dürer.
ßfl
Auch auf deutschem Boden mufste erst ein Künstler, wie Jan
van Eyck den entscheidenden Schritt thun und durch seine mächtige
Individualität, welche die Fesseln jeder Tradition durchbrach, seiner
Zeit neue Bahnen künstlerischer Entwicklung eröffnen. Dies that
Dürer. Es ist ein merkwürdiger Zufall, dafs uns in dem ersten
deutschen Landschafter, den wir mit Recht so nennen dürfen, die
erste künstlerische Persönlichkeit entgegentritt, deren Entwicklung
wir in ihren einzelnen Phasen verfolgen können. Wir müssen unsere
Aufmerksamkeit auf Dürers künstlerische Umgebung in seiner Lehr-
zeit richten, um für seine Leistungen einen historischen Mafsstab
zu gewinnen. M ichel Wolgemut, sein Lehrer, war und blieb ein
Handwerker in seiner Kunst, wie seine Genossen in Schwaben und
Franken, und der Versuch Thausings, den biederen Meister durch
"Identifizierung mit dem Kupferstecher W. auf eine höhere Staffel
kunstgeschichtlichen Ruhmes zu stellen, ist nicht als glücklich zu
bezeichnen. Thausing sucht die Bedeutung Wolgemuts hauptsäch-
lich durch den Nachweis zu erhöhen, dafs er auf allen jenen Ge-
bieten bahnbrechend gewesen sei, „auf welchen Dürer mit seinem
Ruhm auch den seines Lehrmeisters geerntet hat". Hier steht nun
die Landschaft obenan in der Reihe seiner Verdienste, und in der
That nimmt in seinen Werken dieselbe oft mehr Raum und Inter-
esse in Anspruch, als in den Bildern der anderen oberdeutschen
Meister. Ob dies durch eine engere Beziehung zur niederländischen
Schule zu erklären ist, bleibt zweifelhaft. Die Motive scheinen viel-