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Schongauer
Martin
und die
Meister.
oberdeutschen
die bewufste Absicht des Künstlers hierin nachzuweisen.) Zweitens
verfügten die dramatischen Spiele, welche das Vorbild für die Pas-
sionsbilder abgaben, über keinen grofsen scenischen Apparat und
hatten wohl auch auf die gedrängte Gruppierung der Komposition
im Vordergrunde Einüufsl).
So erklärt sich denn auch in Schongauers Passion die Be-
schränkung des landschaftlichen Beiwerks, aus dem wir nur die
vorzügliche Ausführung des unbelaubten Baumes mit seinen un-
zähligen Verästelungen als Fortschritt gegen die Leistungen des
Meisters E. S. hervorheben wollen, dessen kahle Bäume eher an
ein I-lirschgeweih als an einen Pflanzenorganismus erinnern. Dafs
Schongauer sein Auge für die Einzelformen der vegetabilischen
Natur geschärft hatte, beweist seine xFlucht nach Ägyptem (B. 7),
eine Komposition, deren Vegetationsformen südländischen Charakter
tragen. Auf welchem Wege Schongauer diese Formen vermittelt
worden sind, läfst sich kaum mit Sicherheit feststellen. Die Hypo-
these einer italienischen Reise des deutschen Meisters allein auf
diese Argumente zu gründen, scheint gewagt. ,Die Bilder nieder-
ländischer Künstler, welche in Italien gewesen waren, oder die in
jener Zeit nicht seltenen Pilanzenbüchere) könnten ebensowohl das
Vorbild abgegeben haben, falls nicht auch italienische Stiche, mit
denen diejenigen Schongauers eine gewisse Berührung haben, von
ihm benutzt wurden. Die Palmenform ist bei aller Natürlichkeit
in der Gesamtanlage im einzelnen doch soweit stilisiert, dass wir
nicht genötigt sind, Naturstudien Schongauers im Süden anzunehmen.
Der Papagei wird auch wohl kaum zur Vervollständigung der süd-
ländischen Scenerie hinzugesetzt worden sein, zumal er mit Hirsch
I) cf. auch Springer, H. Holbein d. ä. Passionsbilder in Donaueschingen.
2) Vgl. p. 40 Anm. I und bes. die botanisch genaue Beschreibung der Pal-
men von Barcelona. bei Leo von Rozinidal a. a. O. p. III. Könnte nicht durch
Illustrationen solcher Reisebeschreibungen der deutsche Künstler belehrt worden sein?
Vgl. auch die botanischen Abbildungen in dem vbuch der natur welches meister
Cunrad v. Megenberg von latein in deutsch transferiretß Ausgsburg 1475. (Bibl.
d. germ. Mus. 4339) und den ebenfalls mit Holzschnittillustrationen versehenen Her-
barius von 1484 (Bibl. d. germ. Mus. 2348), u. d. 1480 bei Joh. Th. de Ligna-
mine in Rom gedruckte Herbarium Apuleji Platonici. Hain, Rep. bibl. 1322.