Schongauer
Martin
die oberdeutschen Meister.
und
Ein Hauptblatt Schongauers, die grofse Kreuztragung (B. 21),
setzt v. Seidlitz auf Grund technischer Erwägungen an die Grenze
der ersten Entwicklungsperiode des Künstlers. Dasselbe zeigt sich
indes sowohl in der Komposition als auch im Landschaftlicheiu den
früheren und auch den meisten späteren Stichen Schongauers so be-
deutend überlegen, dafs man geneigt ist, der Ansicht Galichonsl)
beizupflichten, welcher den Stich an das Ende der Entwicklung des
Meisters rückt. Gerade einzelne Feinheiten in der Landschaft
lassen sich erst auf einer höheren Stufe künstlerischer Entwick-
lung zwanglos erklären. Wie fein sind z. B. die krausen Fels-
rnassen des Mittelgrundes links gegen die lichte Fernsicht des
Hintergrundes mit ihren Berglinien und geschickt angeordneten
Architekturen abgewogen. Auch die Verteilung der Lichtmassen
verrät eine Sicherheit in der Beherrschung eines für den Kupfer-
stich noch neuen Problems, die wir einem jugendlich schwankenden
Künstler nicht zutrauen können. Und ein solches Schwanken
müfsten wir annehmen, wenn wir neben dies vollendete Meisterwerk
eine weit schwächere Leistung, wie die Jakobsschlacht (B. 53), als
gleichzeitig stellen. Der Künstler, welcher eine Felsenpartie, wie
die der Kreuztragung, zu entwerfen imstande war, hätte den
Felsenengpafs der Jakobsschlacht unvergleichlich besser dargestellt.
In der Passionsfolge, welche Scheiblerz) einer dritten Periode
künstlerischer Entwicklung zuerteilt (B. 9-20), finden wir keine
breiter ausgeführten Landschaftshintergründe. Diese Erscheinung
wiederholt sich bei den meisten Passionscyklen des deutschen Kupfer-
stichs und läfst sich zwiefach erklären. Der Stoff der Darstellung
erheischt eine Konzentration der ethischen und dramatischen Ele-
mente, und zur Hebung vorwiegend dramatischer Vorgänge eignete
sich die Landschaft, wie sie die deutschen Meister dieser Periode
allein kannten und beherrschten, nicht. (Man könnte allerdings
Schongauers Kreuztragung als den ersten Versuch in dieser Rich-
tung ansehen, indem die Licht- und Felsbehandlung hier einiger-
mafsen zu dem Vorgang gestimmt ist, indes dürfte es schwer sein,
1859-
1834-