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und niederländische
Der deutsche
Kupferstich des XV. Jahrhunderts.
drungen, nicht mit voller Sicherheit bestimmen. Als ein nicht un-
bedeutendes Vehikel zur Vermittlung fremder Kunsteinilüsse dürfen
wir die Werke des in jener Zeit sich ausbreitenden Kunstdruckes
betrachten. Die handwerksmäfsigen Leistungen, namentlich des
Holzschnittes, Welche auch in späteren Epochen von der künst-
lerischen Entwicklung unberührt bleiben, können dabei natürlich
nicht in Betracht kommen. Wenn sich auch im niederländischen
Holzschnitt seit der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts iAnklänge
an die in der Malerei herrschende Weisen I) nicht verkennen lassen,
so ist doch von einer bewufsten Anlehnung an die Vorbilder der
Tafelmalerei nur bei den Kupferstechern der Periode die Rede, da
diese allein durch ihre künstlerische Bildung dazu befähigt waren.
Freilich müssen wir uns von vornherein klar machen, welche
Grenzen die noch unentwickelte Technik ihren Meistern gerade in
Bezug auf landschaftliche Darstellung zog. Diese erleidet durch
den Verzicht auf Farbenreiz namentlich in den Hintergrundsfernen
starke Einbufse, und mit Recht rühmt Rivius in seiner deutschen
Übersetzung des Vitruv (I 548) die Meisterschaft Dürers, welche
solche Schwierigkeiten zu überwinden verstand, als gewaltiges
Wunder z). Auch erschwert die nur zeichnende Technik eine kräf-
tige Gliederung und Abhebung der landschaftlichen Massen.
Die ältesten deutschen Kupferstecher, wie der wahrscheinlich
oberdeutsche Meister vom Jahre 1 446 und der niederrheinische
Meister von 1464 (maitre aux banderolles) zeigen sich in der
Behandlung des landschaftlichen Hintergrundes noch völlig unge-
schickt. Namentlich dem letztgenannten fehlt es an Naturanschau-
ung und Sinn für Raumverhältnisse. Als ein Beispiel seiner kindi-
schen Unbeholfenheit sei nur das Blatt (Passavant Nr. 5) wSamson
mit dem Löwem hervorgehoben. Im Vordergrunde sitzt Dalila auf
einer Böschung, darüber erhebt sich auf einem merkwürdig ausge-
zackten Stufenabsatz ein mächtiger Fels von krystallischei" Forma-
tion. Innerhalb der Felswand ist ein Wald durch einzelne Vertikal-
striche, auf denen flockige kleine Laubkronen sitzen, angedeutet.
1) Crowe u. Cav. ed. Springer p. 392.
i) s. Springer, Bilder aus der neueren Kunstgesch.
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