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Die flandrische Schule.
mehr nach koloristischen Gesichtspunkten gruppiert. Der grau-
braune Felsboden des Vordergrundes an den beiden Seiten der
Figurenkompositionen in zwei schieferartigen Felsblöcken aufsteigend,
geht in den grünen Mittelgrund über, dessen Waldmassen, aller-
dings noch nicht durch breitere Lichtkontraste gegliedert, in leb-
haften, oft sogar kleinlichen Umrifslinien von dem Gebirgsstreifen
am Horizonte sich abheben.
Wem der gröfsere Anteil an der landschaftlichen Ausführung
zugesprochen werden darf, Hubert oder Jan, läfst sich kaum ent-
scheiden. Südliche Vegetationsformenl), wie sie in fast allen
Teilen der Landschaft sich finden, lassen an Jan denken, der in den
Jahren I428-29 einer Mission des Herzogs Philipp nach Portugal
beigegeben war, und der daher Reminiscenzen an. diese Reise in
dem 1432 vollendeten Altarwerk wohl verwerten konnte; doch
stehen diese Einzelformen nicht im Einklang mit dem Gesamt-
charakter der Landschaft, der vielmehr an ein Hochgebirge er-
innert und in einzelnen Teilen (z. B. auf dem Flügel der h. Pilger)
geradezu nordische eindrücke wiederspiegelt. Schon solche Wider-
sprüche, welche sich noch weit mehr ins einzelne verfolgen lassen,
verraten die Thätigkeit zweier Hände, die sich indes nicht überall
genau unterscheiden lassen.
Den gröfseren Anteil werden wir immerhin Jan zuschreiben
dürfen, da auch die Tradition?) für seine besondere Befähigung als
Landschaftsmaler ins Gewicht fällt. Freilich zeigt sich Jan in seinen
selbständigen Werken sehr ungleich als Landschafter, so dafs wir
aus denselben kaum einen Rückschlufs auf seinen Anteil am Genter
Altarwerk ziehen können.
In einem seiner früheren Bilder, der Madonna des Kanzlers
Rollin im Louvre, führt er eine Art der landschaftlichen Darstellung
ein, die seither mit grofser Vorliebe in seiner Schule aufgenommen
wurde. Aus einer hoch gelegenen Halle, in der die Figuren-
I) Schon van Mander hebt hervor: vin't Landschap zijn veel
vreemde Boomenw, Ausg. v. 1617, fol. 124, sp. 4, abgedr. bei Crowe
Springer, p. 438.
2) Dafs Jan selbständig Landschaften mit Staffage genxalt habe,
Anonymus Morelli Ed. 1800, p. I4 und van Mander bestätigt es.
uptlandsche
u. Cav. Ed.
bezeugt der