Handrische Schule.
Die
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Umständen zu suchenl), wie es müfsig ist, darüber zu streiten, ob
der malerische Sinn, der nun einmal die Werke der Eycks aus-
zeichnet, sich die Technik geschaffen, oder ob nicht vielmehr die
Anwendung dieser, nämlich der Ölmalerei, die malerische Richtung
hervorgerufen und ermöglicht habe. Thatsache ist, dafs in dem-
jenigen Werk, welches uns als das specimen eyckischer Malerei zu
gelten pflegt, dem Genter Altar, Vermögen und Absicht in Be-
ziehung auf landschaftliche Darstellung sich durchaus decken. Die
Haupttafel dieses Altars (Gent, S. Bavo) ist ein Breitbild und stellt
bekanntlich die Anbetung des Lammes dar. Der Horizont ist hoch
gelegt; den mittleren Vordergrund nimmt eine saftiggrüne lrViese
ein, welche von Rosengesträuch, Weinreben, Palmen, Cypressen
und Lorbeergebüsch umrahmt wird und auf Welche die Figuren-
massen in fein abgewogener Gruppierung verteilt sind. Rechts und
links blicken Thürme über die bewaldeten Hügel des Mittelgrundes;
über den blauen Bergen des Hintergrundes steigt der prächtig ab-
getönte Himmel empor, an dem sich leichte Wölkchen kräuseln.
Für manche Mängel in der Perspektive und der Terraingliede-
rung entschädigt das harmonische und in vollen Tönen gehaltene
Kolorit. Der Horizont setzt sich in den vier Flügelbildern fort, so
dafs das Rahmenwerk uns vom Bilde losgelöst wie eine architek-
tonische Gliederung anmutet, durch die hindurch wir in die ge-
schlossene Landschaft blicken. Von beiden Seiten strömen zu dem
Lamm, welches als Mittelpunkt des Hauptbildes erscheint, die heiligen
Einsiedler und Pilger, die Streiter Christi und die gerechten Richter
herbei. Deren dicht gescharte Gestalten nehmen den Vordergrund
der Flügelbilder ein, während den Mittelgrund Berge füllen, über
deren waldigen Höhen nur ein schmaler, in blauem Licht schwimmen-
der Gebirgsstreifen, hie und da von Architektur unterbrochen, sicht-
bar wird. In den Vertikal- und Diagonallinien der landschaftlichen
Komposition waltet noch kein festes Prinzip, die Massen sind. viel-
i) Dafs die angeführten Maler nicht, wie oft behauptet worden, Veduten ihrer
engeren heimatlichen Umgebung in ihre landschaftlichen Kompositionen aufnahmen,
hebt Schnaase (niederl. Briefe p. 510) hervor, der vielmehr in der Gegend um
Lüttich Anklänge an Landschaftsmotive der altflandrischen Meister zu erkennen
glaubte, a. a. O. 512.