Volltext: Die Landschaft in der deutschen Kunst bis zum Tode Albrecht Dürers

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Gotischer 
Stil. 
zu urteilen, ist der Baumschlag bereits recht geschickt durch- 
gebildet; die Bäume, welche im Verhältnis zu den Figuren noch 
immer auffallend klein gebildet werden, tragen saftgrüne Kronen 
mit gegliedertem Umrifs und gelben Lichtern; ein Weidenstamm 
ist charakteristisch von den anderen Bäumen unterschieden. Über 
den Fels, welcher den Vordergrund abschliefst, blickt man in die 
blau getönte Ferne des Hintergrundes. Der Horizont setzt sich 
weifs vom Terrain ab und geht an dem oberen Rande in dunkel- 
blauen Ton über. Also auch die gröbsten Wirkungen der Luft- 
perspektive sind dem Künstler nicht mehr unbekannt. 
Aus den vielen livres d'heures') des Herzogs von Berry (Jr I4I6) 
sei die Brüssler Handschriftß) hervorgehoben, deren Bilderschmuck 
neuerdings3) aufjacquemart de Hesdin zurückgeführt worden 
ist. Die Kenntnis der Perspektive ist noch gering, auch der Mangel 
an Proportion ist in Architektur und Landschaft nicht zu übersehen, 
Der Himmel ist noch nicht getönt, hinter dem Felsen des Mittel- 
grundes tauchen hie und da die Spitzen ferner Schneeberge auf. 
Einzelne Felskuppen sind von Burgbauten gekrönt, zu denen gewun- 
dene Pfade emporführen. Reich ausgestattet in landschaftlicher Be- 
ziehung ist die Flucht nach Ägypten, wo wir das besorgte Eltern- 
paar auf dem felsigen Hohlweg des Vordergrundes mit ihrem 
Maulesel einherziehen sehen, während der Mittelgrund von dürren 
Bäumen besetzt ist, und im Hintergrunde sich das Meer mit 
Hafen und Insel öffnet. Steile Felsufer mit überhangenden Kup- 
pcn begrenzen das Wasser, welches durch Schiffe belebt ist; die 
Insel giebt einen guten Mittelpunkt für das zwar ohne Luftperspek- 
tive, aber in den Linien nicht ungeschickt komponierte Landschafts- 
bild des Hintergrundes, dem sich in demselben Manuskript noch 
die Darstellung der Grablegung an die Seite stellen liefse. 
Breiten Raum für landschaftliche Darstellungen boten die meist 
den Horarien vorangestellten Kalenderillustrationen. Es sei hier 
statt vieler das schönste unter den Horarien des Herzogs von 
1) cf. Delisle in d. Gaz. d. b. a. 1884, Per. II. p. 97 ff. 
z) Ms. 11060 der bibl. Royale. 
3) Delisle, mälanges de paläographie et bibliographie p. 295-
	        
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