Volltext: Die Landschaft in der deutschen Kunst bis zum Tode Albrecht Dürers

Gotischer 
Stil. 
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abmühen. Um Frauen auf einer Insel darzustellen, führt er das 
den Flufs andeutende Wellenlinienband rings um die Gruppe der 
Frauengestalten herum, so dafs diese wie aus einem aufrechten 
Rahmen herausschauen. Gehen Handlungen in. einer Stadt vor 
sich,- so wird nach alter Weise ein grofses rundes Loch in der an- 
deutenden Architekturgruppe ausgespart und in dieses die Figuren 
ohne jede Rücksicht auf das Gröfsenverhältnis hineingesetzt. Gleich- 
wohl ist auch hier in den vegetabilischen Details das Streben nach 
Naturwahrheit und Leben nicht zu verkennen. Lanzettförmige 
Blätter wechseln mit gezackten und die Rohrbüschel mit ihren 
Blütenkolben sind hübsch beobachtet. 
Solche Leistungen beweisen, dafs die Fortschritte zum Natura- 
lismus nicht plötzlich und überall mit gleichem Erfolge auftreten, viel- 
mehr schärft sich das Auge für die Einzelformen der Natur erst ganz 
allmählich. Das sich jetzt auch mehr und mehr entwickelnde malerische 
Gefühl, das sich in der stärkeren Modellierung der in Gouachefarben 
ausgeführten Gestalten ausspricht, kam dieser realistischen Richtung 
auch zu statten. Man hat diese Bestrebungen besonders auf die 
Handrischen Künstler, welche in der Buchmalerei dieser Epoche 
eine gewisse Rolle spielen, zurückführen wollen; vor allen Schnaasel) 
hat nachzuweisen versucht, dafs und warum die naturalistische und 
malerische Richtung im Handrischen Boden und Volkscharakter 
wurzelt. Trotzdem mufs man den erwachenden Natursinn jener 
Epoche, der den eigentlichen Antrieb zur Entwicklung dieser Fähig- 
keiten bildet, mit demselben Forscher 2) als ein vGemeingut der Na- 
tionene ansprechen, auf dessen Entstehen in der geistigen Strömung 
der Zeit zu oft hingewiesen ist, als dafs es nötig wäre, hier darauf 
zurückzukommen 3). Innerhalb der rein künstlerischen Entwicklung 
ist es namentlich das Wiederauftreten perspektivischer Vertiefung 
in der malerischen Darstellung, welches einen bedeutungsvollen 
I) Gesch. d. b. Ke. VIII, p. 91 u. Niederländische Briefe, p. 325. 
2) Gesch. d. b. Ke. VIII, 27. 
3) Über die Erweiterung der Naturanschauung in der Renaissance und ihre 
ästhetische Bedeutung vergl. namentlich Burkhardt, Kultur d. Renaissance in Italien 
Bd. II, cap, 3: die Entdeckung der landschaftlichen Schönheit u. Humboldt, Kos- 
mos II, 68 B". 295 Ff. Ferner Schnaase, Gesch. d. b. Ke. VIII, cap. II. 
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