Volltext: Die Landschaft in der deutschen Kunst bis zum Tode Albrecht Dürers

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Gotischer 
Stil. 
bare. Auch die Poesie, zumal die Lyrik des XIII. Jahrhunderts 
befafst sich mit einer breiteren objektiven Schilderung der Natur so 
gut wie nirgends, und dal's jene enge Beziehung zur letzteren, wie 
wir sie vor allem in den Gedichten Walters von der Vogelweide, 
Liutholts von Seven, Heinrichs von Veldegke und den wenigen 
lyrischen Gesängen NVolframs von Eschenbach bewundern, weit 
mehr auf Verwandtschaft der Natur- und Seelenstimmungen, als 
auf scharfe Einzelbetrachtung sich gründet, hat bereits Wilhelm 
Grimm in Humboldts Kosmos II, p. 33 hervorgehobenl). Frühling 
und Winter sind die Jahreszeiten, deren Gegensatz die Phantasie 
des Minnesängers besonders anregen. Das Sprossen der Blumen, 
des Klees, das Belauben der Bäume, durchbrechende Frühlings- 
wonne im Vogelgesang, das sind die Erscheinungen, die den Dich- 
ter fesseln, während er im Winter darüber klagt, dafs Reif und 
Schnee liege, wo er sonst Blumen brach, dafs der Vöglein Sang 
verstummt sei etc. etc. Die Wiederkehr dieser Floskeln ist so ty- 
pisch, dafs von einer individuellen Naturbetrachtung kaum gespro- 
chen werden darf.  
Frankreich übernahm seit der Epoche des gotischen jStilS 
die Führung auf fast allen Gebieten des Kulturlebens, von Frankreich 
ging auch der Anstofs zu einer neuen künstlerischen Naturauffassung 
aus. Etwa seit der Mitte des XIV. Jahrhunderts kommt hier ein 
neuer Miniaturstil auf, welcher der Darstellung des landschaftlichen 
Beiwerks einen gröfseren Platz einräumt und mit der bisherigen 
Stilisierung bricht.  
Die Ausflüge in Feld und Wald, die Freude an der Jagd und 
die Liebe zu den Tieren, die wir in Frankreich schon frühe und 
stark ausgebildet finden z), führten zu einer vertrauten Bekannt- 
schaft mit den Einzelheiten der Natur im Gegensatz zuder mehr 
im allgemeinen bleibenden Gefühlsschwärrnerei der Deutschen. 
Schon in der dekorativen Plastik des gotischen Stiles, dem 
Laubschmuck der Kapitale, Schlufssteine und Krabben des XIILJahr- 
hunderts sehen wir in Frankreich eine Wendung zum Naturalis- 
cf. auch Schnaase, Gesch. d. b. Ke. V, p. 479 ff. 
cf. A. Schultz, d. höfische Leben z. Z. der Minnesinger I, 
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