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Albrecht
Dürer.
Es konnte nicht unsere Aufgabe sein, sämmtliche Werke
Dürers auf ihre landschaftlichen Beigaben hin zu untersuchen, viel-
mehr durften wir uns auf diejenigen beschränken, welche die
Stellung Dürers in der Geschichte der deutschen Landschaftsmalerei
in irgend einer Beziehung bestimmen. Fassen wir die Ergebnisse
dieses Überblicks zusammen, so mufs an erster Stelle das land-
schaftliche Naturstudium, wie wir es in den Veduten und Skizzen
seiner Iugendzeit beobachteten, als Hauptfortschritt hervorgehoben
werden. In der Komposition des landschaftlichen Hintergrundes
sodann hat Dürer aus der weiten Naturübersicht, wie die alten
Flandrer sie gaben, ein in sich geschlossenes Bild geschaffen, das
er durch eine rhythmische Verteilung der kontrastierenden Massen
und stärkere Hervorhebung der Vordergrundmotive gliedert und
belebt.
Er ist es auch, der zuerst die Landschaft zu individualisieren
versteht, indem er sie in innerlichen Einklang zu den in ihr sich
abspielenden Vorgängen setzt, ohne doch ihre Formen, wie seine
Nachfolger thaten, gar zu willkürlich zu stilisieren. Durch seine
Veduten und die Betonung des Idyllischen eröffnet er der kommen-
den Zeit zwei neue Sondergebiete der Landschaftsdarstellung, zu-
gleich sorgt er durch theoretische Begründung und litterarische
Überlieferung seiner Grundsätze, denselben Verbreitung und Nutzen
für Mit- und Nachwelt zu verschaffen. Sein Verständnis für die Be-
deutung des Kolorits in der Landschaft dokumentiert sich mehr in
den Aquarellen der Jugendzeit, als in den Gemälden, die sich auch
an Reichtum landschaftlicher Motive mit den Handzeichnungen und
Stichen nicht messen können.
Die Hauptlehre indes, die er seiner Zeit zu verkünden berufen
War, läfst sich vielleicht in jene Worte seiner Proportionslehre zu-
Tagebuch nichts berichtet. Sie ist aus der ehemaligen Sammlung Grahl in den Be-
sitz des British Museum übergegangen. Hier ist in der That schon der Keim für
die späteren holländischen Kanallandschaften vorhanden. Die tiefe Perspektive des
das Bild vertikal durchschneidenden Kanals, seine Hachen eintönigen Ufer, die von
hohen Bäumen beschatteten Gebäude im Vordergrunde zeugen von einem Einblick
in die Naturschönheiten der Niederlande, wie sie selbst manchem älteren Nieder-
änder nicht eigen ist. Nähere Nachweise s. bei Thausing u. Ephrussi.