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Albrecht
Dürer.
bemüht, diesen Gebirgscharakter deutlich zum Ausdruck zu bringen.
Namentlich versucht er, den Übergang von dem Hochthal, in dem
die Begegnung stattfindet, zu den kahlen Bergen des Hintergrundes
zu vermitteln. Das Terrain steigt allmählich empor, und die Vege-
tation, im Vordergrunde noch reich, wird immer spärlicher, um
schliefslich in der Schneeregion der Berge ganz zu verschwinden.
Die einzelnen Baumarten sind genau unterschieden, und von den
kräftig schattierten Partieen des Vordergrundes heben sich die lichten
Massen der Gebirge des Hintergrundes schön ab, die Wirkung der
Luftperspektive auch in dieser zeichnerischen Technik andeutend.
Die Flucht nach Ägypten (B. 89) zeigt einige Verwandtschaft mit
dem Stich Schongauers, obwohl uns nichts zwingt, eine absichtliche
Anlehnung an den älteren Meister anzunehmen. Die schlichte An-
ordnung der typischen Gestalten in einem tiefliegenden Waldgrund
ist so natürlich, dafs man ein Vorbild dafür nicht aufzusuchen ge-
nötigt ist; die wenigen ähnlichen Details (fast nur in den tropischen
Vegetationsformen) könnten bei beiden Meistern sehr wohl aus der
gleichen Quelle, etwa einem Pflanzenbuch, stammen. Recht idyllisch
ist die Umgebung der h. Familie auf ihrer Ruhe in Ägypten (B. 90).
Die anmutige Scene spielt in einem Hofe, der links von verfallenen
Gebäuden eingefafst ist, während hinten eine Mauer mit rundbogigem
Thor (wohl auch Reste eines gröfseren verfallenen Baues) ihn ab-
schliefst. Hinter dieser Mauer erhebt sich links ein Burgfels, während
rechts weiche Berglinien den Horizont begrenzen. Die Ruine als
landschaftliches Motiv in malerischem Sinne hat Dürer zuerst in
der deutschen Kunst eingebürgert. Die älteren Meister, mit Aus-
nahme Schongauers, der auch in dieser Beziehung Dürer vor-
arbeitete, hatten, wie wir sahen, an Stelle der Ruinen meist nur
steife halbvollendete Bauten zustande gebracht, während Dürer das
aus den Mauerrissen aufkeimende vegetative Leben mehr in die
Darstellung hineinzieht, ohne doch, wie viele seiner oberdeutschen
Schüler, darin phantastisch und manieriert zu werden. Auch hier
bewahrt sich Dürer jenen gesunden Realismus, der ihn vor jeder
Verirrung beschützt.
Von den übrigen frühen Stichen und Holzschnitten hebt Rett-
berg das sogenannte xMGCFWLIHÖCYQ (B. 7) hervor, dessen Hinter-