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Albrecht Dürer.
Kupferstichen, und man wird finden, dal's die fertige Ausführung
oft genug dem gewaltigen, die gemeine Natur überragenden Aufbau
der landschaftlichen Massen Eintrag thut. Es liegt uns fern, diesen
ästhetischen Gesichtspunkt als für Dürer mafsgebend hinstellen zu
wollen, indes schien seine Betonung nicht überflüssig gegenüber der
viel verbreiteten Anschauung, als seien Landschaft und Kolorit un-
löslich miteinander verbunden.
Die
Stiche
Dürers
sind
aber
auch
insofern
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Unter-
suchung interessant, als sie das Wandern einzelner Motive und An-
regungen deutlicher erkennen lassen, als die Hintergründe der Ge-
mälde, die, mit langer Hand vorbereitetl), meist eine gröfsere Selb-
ständigkeit und Abgeschlossenheit verraten. Bei den Stichen da-
gegen und vollends bei den sie vorbereitenden Zeichnungen gab
sich der Künstler den Anregungen, die ihm durch fremde Vorbil-
der zu teil wurden, hin. Aus der Untersuchung aber, wie Dürer
von seinen Vorgängern lernt, gewinnen wir einen Einblick in sein
Kunstschaffen, wie ihn uns die Betrachtung der vollendeten Bilder
allein nie gewähren kann.
1494 üel dem jungen Künstler ein italienischer Stich 2) in die
Hände, den Tod des Orpheus darstellend. Mochte der Stoff oder
auch die Figurenkomposition ihn zur Nachahmung anregen, er ver-
suchte, das Blatt zu kopieren. Die Gestalten übernahm er ziem-
lich genau den vnacketten bildern der Welschena zollt er stets
hohe Anerkennung, die landschaftliche Umgebung aber glaubt
der dreiundzwanzigjährige Jüngling besser machen zu können, als
der routinierte Italiener. Während Baldini die Figuren in eine vaste,
schematisch komponierte Landschaft mit hohem Horizont ohne Zu-
sammenhang hineinsetzt, sucht Dürer die landschaftlichen Elemente
auf das Wesentliche zu beschränken und in eine feste Verbindung
mit der F igurenkomposition zu bringen. Die Baumgruppe, vor der
sich die Scene abspielt, schliefst sich mit den Gestalten geschickt
1) vdan ein gut byld mus mit grosser müe
macht werden und es gerett uns nit ongeferß
Proportion. s. Heller, A. Dürer p. 1002.
z) Nach Passavant von Baccio Baldini.
arbeit Heis und voll besunnen ge-
Dürer, Vier Bücher menschlicher