Volltext: Styl-Lehre der architektonischen Formen des Alterthums (Bd. 1)

Der griechische 
Styl. 
2. Das Kyma, die Blätter-welle. 
jene Bautheile, welche von oben her belastet sind, erhalten 
an dieser Stelle der ganzen Länge nach" ein dem Ausdrucke des 
Belastetseins und des der Last Entgegenstehens, also des Abstützens 
entsprechendes Ornament. Das Kyma drückt den Gegensatz von der 
Bedeutung der Sima aus. 
Auch hier erscheinen eine Reihe nebeneinander aufgerichteter 
Pflanzenelemente, sie erheben sich aber nicht ungestört, sondern 
sind an ihrer Spitze nach vorne, wie von einer Last gedrückt, über- 
geneigt. Es ist gewiss nicht absichtslos, dass hier im Gegensatze 
zu den freien Bekrönungen hauptsächlich solche Pflanzenformen zur 
Verwendung kommen, denen ein gewisser Kraftausdruck innewohnt, 
 so dass hier durchaus 
Fig. 92.    
kraftige Blatter neben- 
 e  j einander gereiht sind, die 
 im Gegensatze zu den 
   5 ' ä Palmetten und Blumen der 
 Sima eine grössere NVider- 
Fig. 93. standsfiahigkeitverbildlichen. 
 i _ Nach den Proiilirungen, 
     welche diese Blatterwellen 
   i bilden unterscheidetman der 
  Hauptsache nach das dori- 
Dorische Kymatia. scheKyma, das Echinuskyma 
 und das lesbische Kyma. 
a) Das dorische Kyma.  
Die Blätter desselben, Fig. 92 und 93, neigen sich wie von 
einer schwachen Last gedrückt, nur wenig nach vorne über, ihre 
Formen erinnern nur an die Naturform, sie sind meist viereckig 
und abgerundet, mit besonderer Betonung der Mittelrippe und des 
Randes derselben. Ihre Darstellung geschieht nur in Farbe auf das 
vorgearbeitete Profil, und zwar so, dass die Vorderseite und Rück- 
seite des Blattes ungleich gefärbt erscheinen, und auch die neben 
einanderstehenden Blätter durch den Wechsel der Farben deutlich 
unterschieden sind. NVeder in der Form noch in der Farbe liegt die 
Absicht, die Blätter aus der Natur treu zu copiren, sondern vielmehr 
nur an dieselben zur erinnern. Der Grad der Ueberneigung der 
Blätter nach vorne gegen die Wurzel derselben ist verschieden, und 
zwar wie es scheint im Verhältniss der darzustellenden Belastung. 
Dieses Kyma gehört dem dorischen Style ausschliesslich an.
	        
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