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des Franz.
Geschichte
Geistes
wendige Vorläufer aller Untersuchung, und folglich aller reellen
Verbesserung, entsteht in den Schichten der Gesellschaft, die am
meisten Verstand und Einsicht haben, und findet bei andern Schich-
ten natürlich Widerstand: bei dem Adel, weil er seinen Interessen
gefährlich ist, bei den Ungebildeten, Weil er ihre Vorurtheile an-
greift. Dies ist einer von den Gründen, weswegen weder die höch-
sten, noch die niedrigsten Stände geeignet sind, die Regierung
eines civilisirtenVolkes zu führen; denn beide sind imAllgemeinen,
trotz einzelner Ausnahmen, den Reformen abhold, Welche die Be-
dürfnisse einer fortschreitenden Nation beständig verlangen. Aber
in Frankreich begannen vor der Mitte des 17. Jahrhunderts selbst
diese Klassen an dem grossen Fortschritt Theil zu nehmen, und
nicht nur unter denkenden Leuten, sondern auch unter den unwis-
senden und frivolen zeigte sich die Wissbegierige und ungläubige
Neigung, Welche, so viel man auch dagegen sagen mag, Wenigstens
die Eigenschaft hat, dass es ohne sie kein Beispiel von der Grün-
dung der Prinzipien der Duldung und der Freiheit giebt, die nur
mit unendlicher Schwierigkeit zur Anerkennung gebracht worden
sind, und nach manch einem harten Kampfe gegen Vorurtheile,
Welche man nach ihrer eingewurzelten Zähigkeit fast für einen
Theil der ursprünglichen Disposition des menschlichen Geistes
halten möchte. 247)
Es ist kein Wunder, dass unter diesen Verhältnissen die Philo-
sophie von Descartes und die Handlungen von Richelieu einen
grossen Erfolg hatten. Descartes System übte einen ungeheuren
Einfluss aus, und fand sich sehr bald in jeden Wissenszweig hin-
eingetragen. m) Die Politik Richeliews war so fest gegründet, dass
947) Die Zunahme des Unglaubens war so auffallend, dass sie zu der lächerlichen
Behauptung Anlass gab, im Jahre 1623 hätte es mehr als 50,000 Atheisten in Paris
gegeben. Bqillet, Juyenzens des Savans, Paris 1722, I, 185. Es wird Baillet leicht,
diese verkehrte Angabe zu widerlegen. (Dies wird auch in Ooleridge, Litcrary renzains
I, 305 erwähnt, jedoch mit einer offenbaren Confusion zweier verschiedener Perioden.)
Die Verbreitung des Skepticisxnus unter den ubern Klassen und den Höilingcn während
der Regierung Ludwigs XIII. und der Minderjährigkeit Ludwig's XIV. wird durch
eine Menge Zeugnisse bestätigt. Siehe Mäm. de Mad. Motteville II1, 52; Mäm, de
Reiz, I, 266; Uonrart, Mäm. 235, die Anmerkung; Das Refaux, Hisioriettes VI, 143;
Mäm. de Briemze, I1, 107 die Note.
248) Man könnte Bücher schreiben über den Einiiuss Descartes nicht nur auf
Gegenstände in unmittelbarer Verbindung mit seiner Philosophie, sondern auch auf
sglche, die anscheinend weit davon entfernt waren. Vergl. BTWSSMS, Examen des
duct. onädic. II , 55; Leitres de Pafin III, 153; Sprengel, Hist. de la nzädeciaze, IV,