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Geschichte des Franz.
Geistes
sei, uns von den Täuschungen der Natur abzuschliessen, und das
Zeugniss, was sich unsern Sinnen darstellt, zu verwerfen. m) Denn,
sagt Descartes, nichts ist gewiss, als der Gedanke; und es giebt
keine andern Wahrheiten, als die mit Nothwendigkeit aus der
Operation unsres eigenen Selbstbewusstseins folgen. Wir haben
keine andere Kenntniss unserer Seele als von einer denkenden
Substanzfm) und es, wäre uns leichter zu glauben, dass die Seele
aufhören sollte zu existiren, als dass sie aufhören sollte zu den-
kenßlfl) Und der Mensch selbst, was ist er anders als die Incar-
nation des Gedankens? Denn was den Menschen macht, ist nicht
sein Gebein, sein Fleisch und Blut. Dies sind die Accidenzien, die
Auswüchse, die Hindernisse seiner Natur. Aber der Mensch selbst
ist der Gedanke. Das unsichtbare Ich, das letzte Factum unserer
Existenz, das Geheimtriss des Lebens, ist dies: „Ich bin ein Ding
das denkt". Dies ist also der Anfang und die Grundlage unseres
Wissens. Der Gedanke eines Jeden ist das letzte Element, zu
dem die Analyse uns führen kann; er ist der höchste Richter über
allen Zweifel, der Anfang zu aller Weisheit. 233)
Von diesem Standpunkt, sagt Descartes, erheben wir uns dazu
das Dasein Gottes gewahr zu werden. Denn unser Glaube an sein
Dasein ist ein unwiderleglicher Beweis seiner Existenz. Woher
sollte der Glaube sonst kommen? Aus nichts kann nichts ent-
springen, und da keine Wirkung ohne Ursache sein kann, so folgt,
dass unsere Vorstellung von Gott einen Ursprung haben muss; und
dieser Ursprung, welchen Namen wir ihm auch geben mögen, ist
513, mit einer Anmerkung in der Kritik der reinen Vernunft, Kaufs Werke II.
323, 324.
930) Meditations in Oeuv. de Descartes I, 220, 226; Objectlons et rejaonses, Oem).
11, 245, 246.
23') "Au lieu que, lorsque nous tächons ü comzaitre 191148 diäiinöißment nötre nature,
nous pozwons voir, que nötre äme, en tanrquüalle est um subsmnee distlncte du corps,
ne nous m eonnue que par eela seul qu'elle peme." Oeuv-res de Descartes, IV, 432;
III, 96; Prinozpes de la philos. I, 53.
939) "E12 sorte qu'il me seroit ölen plus aise de croirß QM Vämß 09880111515 d'ätre,
quavld oh dlt qu'elle cesse de penser, que non pas de coneewoir qu'elle soit sans pensee."
Oezw. de Descartes, VIII, 574. "Dass die Seele immer denke," ist ein Schluss zu
dem auch "Berkeley auf einem andern Wege gelangt. Siehe seine spitzündige Beweis-
führung Princzlnles of human knowledge I, 98; Berkeleyäv Werks I, 123; und eine
merkwürdige Anwendung davon auf die Theorie des Traumes s. bei Burdaeh, Physiol.
cqmme science düwbseruation V, 205, 230.
933) Oeuvres de Descartes I, 251, 252, 279, 293; II, 252, 283.