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bis zum
Jahrh.
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als wenn wir das Wissen der Freiheit vorziehen und glauben
wollten, die Wissenschaft sei besser, als die Freiheit des Menschen.
Allerdings müssen wir jenen ausgezeichneten Denkern immer dank-
bar sein, deren Arbeiten uns die grosse Masse naturwissenschaft-
licher Wahrheiten verschafft haben, die wir jetzt besitzen. Aber
das volle Maass unserer Huldigung wollen wir uns für jene Weit
grösseren Männer vorbehalten, die kühn genug waren, die tief ein-
gewurzelten Vorurtheile anzugreifen und zu zerstören; Männer,
Welche durch Beseitigung des Drucks der Ueberlieferung die eigent-
liche Quelle und den Bern des Wissens selbst gereinigt und seine
künftige Entwickelung gesichert haben, indem sie Hindernisse aus
dem Wege räumten, denen gegenüber aller Fortschritt unmöglich
war. m)
Man wird nicht erwarten, man wird es vielleicht kaum wün-
schen, dass ich vollständig auf das Einzelne der Descartischen
Philosophie eingehe, eine Philosophie, welche in England wenigstens
sehr selten studirt, und darum oft angegriffen wird. Aber es wird
nothwendig sein, so viel daraus zu berichten, dass wir ihre Ana-
logie mit der antitheologischen Politik Richelieifs nachweisen kön-
nen, damit wir auf diese Weise einen Ueberbliek über die volle
Ausdehnung der grossen Bewegung gewinnen, welche in Frankreich
vor der Thronbesteigung- Ludwigs XIV. stattfand. Dadurch wer-
den wir begreifen lernen, wie die gewagten Neuerungen des grossen
Ministers so vollkommen gelingen konnten: 'wurden sie doch von
entsprechenden Neuerungen im Nationalgeiste begleitet und gestärkt.
Dies giebt dann einen weiteren Beweis davon, wie die politische
Geschichte jedes Landes durch die Geschichte seiner intelleetuellen
Entwickelung erklärt wird.
Im Jahre 1637, als Richelieu auf der Höhe seiner, Macht stand,
veröffentlichte Descartes das grosse Werk, über welches er lange
nachgedacht hatte, und welches die erste offne Verkündigung der
neuen Tendenzen des Französischen Geistes war. Diesem Werke
gab er den Namen: „Die Methode"; und wahrlich, die Methode
ist dem, was man gewöhnlich Theologie nennt, so fremd, als man
sich nur immer vorstellen kann. Ja, sie ist so wenig theologisch,
dass sie wesentlich und ausschliesslich psychologisch ist. Die theo-
m6) Denn, wie Turgot sehr fein bemerkt, w W683 27W VWWW , 9M äwßpv-f? 411W
Iwoyräs de la 11515141 Ce sont la Mwllesse, Pentätement, Pesprit de rautina, tout ce qui
porte ä Fmaction." Pensäes, in Oezwrcs de Turgot, II, 343.