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Franz.
des
Geschichte
Geistes
um zu zeigen, was Frankreichs Schicksal gewesen sein würde,
wenn die Protestanten die Überhand gewonnen hätten. Nach den
oben angeführten Thatsachen kann Niemand daran zweifeln, dass
ein solches Unglück der liberalen und für jene Zeit aufgeklärten
Politik Heinrichs IV. und Ludwigs XIII. ein Ende gemacht haben
würde, um jenem düstern und. herben System Raum zu geben,
welches zu allen Zeiten und in allen Ländern sich als die natür-
liche Frucht priesterlicher Gewalt erwiesen hat. Um daher die
Frage richtig zu stellen, sollten wir. nicht sagen, es war ein Krieg
zwischen feindlichen Glaubensgenossen, sondern es war ein Krieg
zwischen rivalisirenden Ständen. Es war nicht sowohl ein Streit
der katholischen und der protestantischen Religion, als der welt-
lichen Katholiken mit der protestantischen Priesterschaft. Es war
ein Streit zwischen weltlichen und theologischen Interessen, ein
Streit des Geistes der Gegenwart mit dem Geiste der Vergangen-
heit; und die Frage, um die es sich hier handelte, war, 0b Frank-
reich von einer Civilgewalt oder von einer geistlichen Gewalt
regiert werden sollte, ob nach den weiten Gesichtspuncten
weltlicher Staatsmänner, oder nach den engherzigen Begriffen einer
parteisüchtigen, mfduldsamen Priesterschaft.
Die Protestanten hatten den grossen Vortheil, dass sie die
angreifende Partei waren, dass sie ausserdem von einem religiösen
Eifer beseelt wurdemden ihre Gegner nicht hegten; und so möch-
ten sie unter gewöhnlichen Verhältnissen ihr gefährliches Unter-
nehmen wohl glücklich ausgeführt oder jedenfalls den Kampf
unabsehbar in die Länge gezogen haben. Aber zum Glück für
Frankreich ergriff Richelieu im Jahre 1624, nur drei Jalne nach
dem Ausbruch des Krieges, die Zügel der Regierung. Einige Jahre
lang war er der geheime Rathgeber der Königin Mutter gewesen,
deren Gemüth er immer die Nothwendigkeit einer vollständigen
Duldung einzuflössen gesucht hatte. w") Als er an die Spitze der
Geschäfte trat, verfolgte er die nämliche Politik, und suchte die
Protestanten auf alle Weise zu versöhnen. Die Geistlichkeit seiner
eignen Partei drängte ihn fortdauernd zur Ausrottung der Ketzer,
439) Ueber seinen Einfluss auf sie im Jahre 1616 und später, siehe Le Vassor,
Histoire de Louis XIII. II, 508. Meän. de Pontchartrain II, 240. Mäm. de Mont-
glat I, 23. Mäm. de Richelieu II, 198, 200, wo er ihr höchst merkwürdige Argu-
mente in den Mund legt, dass es unpolitisch sei, die Protestanten zu bekriegen.