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Franz.
Geschichte des
Geistes
Persönlichkeit und Unabhängigkeit eines Jeden wird angegriffen
und Gesetze der Einmischung und Quälerei werden ermuntert, die
der Moral denselben Dienst leisten sollen, wie jene andere Klasse
von Gesetzen der Religion. Unter dem Vorwande, die Ausübung
der Tugend zubefördern und die Sittenreinheit in der Gesellschaft
aufrecht zu erhalten, werden die Menschen in ihren gewöhnlichsten
Geschäften gestört, in den alltäglichsten Vorfällen des Lebens, in
ihren Erholungen, ja selbst in der Kleidung, welche sie tragen
wollen, gemeistert. Dass dies wirklich geschehen ist, weiss Jeder,
der einen Blick in die Kirchenvater, in die Beschlüsse der christ-
lichen Conoilien, in die verschiedenen Systeme des canonischen
Rechts .oder in die Predigten der älteren Geistlichkeit geworfen
hat. Dies alles ist wirklich so natürlich, dass Statuten in diesem
Geiste verfasst, durch die calvinistischen Priester für die Regierung
von Genf und durch Erzbischof Cranmer und seine Gehiilfen für
die Regierung von England aufgesetzt wurden; und eine ganz
gleiche Richtung lässt sich in der Gesetzgebung der Puritaner und
noch später bei den Methcdisten beobachten. Es kann uns daher
nicht überraschen, dass die protestantischen Priester in Frankreich
mittelst der grossen Gewalt, die sie in ihrer Partei hatten, eine
ähnliche Disciplin durchsetzten. So, um nur einige Beispiele anzu-
führen, verboten sie allen Leuten, in's Theater zu gehen, ja selbst
Aufführungen in Privathäusern mit anzusehen. m) Das Tanzen
sahen sie als ein gottloses Vergnügen an, und verboten es nicht
nur förmlich, sondern ordneten auch an, alle Tanzmeister sollten
von der geistlichen Behörde ermahnt und aufgefordert werden, eine
so unchristliche Beschäftigung aufzugeben. Die Tanzmeister aber,
-welche verhärtet blieben und der Ermahnung nicht Folge leisteten,
sollten in den Kirchenbann gethan werden. Mit derselben from-
men Sorgfalt überwachten die Geistlichen andere Gegenstände von
derselben Wichtigkeit. In einer ihrer Synoden verordneten sie,
dass alle in ihrer Kleidung sich bunter Farben enthalten und ihr
Haar einfach und schlicht ordnen sollten. m) In einer andern
Synode verboten sie den Frauenzimmern, sich zu schminken, und
'74) Quioläs Synodivon in Gallia I, S. LVII.
H5) Ibidcm, 1, s. LVII,117, 131, n, 114.
416) "Und
Tbidem I, 119.
beide
Geschlechter
sollen
auf
eine
bescheidene
Haartracht
halfeufz