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Geschic"
Franz.
des
Geistes
sehr genau gehalten. Aber der Unterschied in den Absichten und
Planen der beiden Parteien entsprach dem Unterschiede der Klas-
sen, von denen jede regiert wurde. Die Protestanten standen
hauptsächlich unter dem Einfluss der Geistlichkeit, sie machten
daher religiöse Herrschaft zu ihrem Zweck. "Die Katholiken trach-
teten unter der Leitung von Staatsmannern nach weltlichen, Erfol-
gen. So hatten die Verhältnisse in Frankreich die ursprüngliche
ltiohtung dieser beiden grossen Secten verwischt, dass durch eine
sonderbare Verwandlung die Katholiken jetzt das weltliche, und
die Protestanten das theologische Princip vertraten. Das Ansehen
der Geistlichkeit, und in Folge dessen die Interessen des Aber-
glaubens wurden von der nämlichen Partei aufrecht erhalten,
welche der Verminderung von beiden ihren Ursprung verdankte,
und wurden andererseits von der Partei angegriffen, deren Erfolg
bisher von der bessern Aufnahme beider abgehangen hatte. Siegten
die Katholiken, so wurde die geistliche Gewalt geschwächt, siegten
die Protestanten, so wurde sie gestärkt. Von dieser Thatsache,
so weit sie die Protestanten angeht, habe ich so eben hinlängliche
Beweise gegeben, die ich sowohl aus ihrem eignen Verfahren, als
aus der Sprache ihrer Synoden entnommen. Und dass das ent-
gegengesetzteoder das weltliche Princip unter den Katholiken das
vorwiegende war, erhellt nicht nur aus der unwandelbaren Politik
der Regierungen Heinrichs IV. und Ludwigs XIII., sondern auch
aus einem andern, sehr bemerkenswerthen Umstande. Denn ihre
Beweggründe waren so augenfallig, und gaben der Kirche einen
solchen Anstoss, dass der Papst, als der grosse Beschützer der
Religion, sich für berufen hielt, jene Beiseitesetzung theologischer
Interessen, die sie an den Tag legten, und die er für ein schreien-
des und unverzeihliches Verbrechen hielt, zu tadeln. Im Jahre 1622,
nur ein Jahr nach Anfang des Kampfes zwischen Protestanten und
Katholiken machte er der Französischen Regierung ernstliche Vor-
stellungen über die offenbare Ungebührlichkeit, deren sie schuldig
sei, indem sie einen Krieg gegen Ketzer führe, nicht zu dem Zweck,
die Ketzerei zu unterdrücken, sondern bloss in der Absicht, dem
Staate jene weltlichen Vortheile zu verschalfen, welche nach der
Ansicht aller Frommen als Dinge von untergeordneter Wichtigkeit
zu betrachten seien. 173)
'173) Siehe die Instruetionen von Gregor XV im Anhang zu Ranke, Päpste III,
173, 174: .,Die Hauptsache aber ist, was er dem Könige von Frankreich vorstellen