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Franz.
Geschichte des
Geistes
Beistand katholischer Truppen aus Spanien anzurufen, und handel-
ten damit nur nach der alten Ansicht, es sei die Hauptpliicht der
Regierung, die Ketzerei zu unterdrücken. Diese verderbliche Lehre
wurde zuerst von Richelieu offen zurückgewiesen. Schon 1617,
noch ehe er seine Macht befestigt hatte, stellte er es in einer In-
struction eines seiner Gesandten; die noch existirt, als Grundsatz
auf, dass in Staatsangelegenheiten kein Katholik einen Spanier
einem Französischen Protestanten vorziehn müsse. 98) Für uns ist
freilich, im Fortschritt der Gesellschaft, der Vorzug unsers Vater-
landes vor unserm Glauben eine Sache geworden, die sich von
selbst versteht; in jenen Tagen dagegen war es eine auffallende
Neuerung. 9") Aber Richelieu schreckte nicht davor zurück, aus
seinem auffallenden Grundsatz die äussersten Consequenzen zu
ziehn. Die katholische Kirche war mit Recht der Meinung, dass
ihre lnteressen mit denen des Hauses Habsburg enge verknüpft
wären; 100) aber sobald Richelieu ins Ministerium berufen War, be-
schloss er, dieses Haus in allen seinen Theilenwl) zu demuthigen.
Um dies zu erreichen, unterstützte er öffentlich die bittersten Feinde
seiner eigenen Religion. Er stand den Lutheranem gegen den deut-
schen Kaiser bei und den Calvinisten gegen den König von Spanien.
Während der 18 Jahre seiner Macht verfolgte er anhaltend die-
selbe unwandelbare Politik. m) Als Philipp die Niederländischen
98) Siehe Sismondi, Hist. elcs Frangais XXII, 387-99, wo er von der Wichtig-
keit des Documentes spricht und davon, dass Richelieu es mit vieler Sorgfalt ver-
fasst habe. Seine Sprache ist sehr bestimmt: "Que nul calhol-ique n'est si avmgle
Jestimei" en matiäre dhälat 2m Espagnol anoilleur qu'un Fv-angais huyuenot."
99) Selbst unter Heinrich IV. hatten die Hugenotten nicht für Franzosen gegolten:
„Die intoleranten Dogmen der Römisch Katholischen erkannten sie nicht für Franzosen
an. Man sah sie als Fremde oder vielmehr als Feinde an, und behandelte sie auch
so." Felioc, Hist. of the prolaslants of Franco 210.
400) Sismondi sagt unter dem Jahre 1.610: "Totale Fäglise catltolique croyoit son
sort liä ä celui de la marfson dülutriclta." Hist. des Franoais XXII, 180.
m) „Sa oue dominante fut lütbaissmnent de Zu anaison dßrlutriclte." Flasmn,
IIist. de Za diplomatie frangaise III, 81. Wie früh dieser Plan sich gebildet, siehe
Mäm. du la Itoclzefoucauld l, 350. De Retz sagtzvVor Richelieu hätte Niemand an
einen solchen Schritt auch nur gedacht: "Celui düztmquer la formidable maison (l'Au-
triclte nüwoit 626 ianaginr! de personnc." Mäm. de Reiz I, 45. Dies ist fast zu viel
gesagt; aber der ganze Passus ist merkwürdig, da. er von einem so bedeutenden Manne,
wie de Retz ohne Widerrcde war, und von Einem, der Richelieu hasste, geschrieben
worden ist, der aber dennoch nicht umhin konnte, von seinen ungemein grossen Ver-
diensten Zcugniss abzulegen.
409) "Obwohl Cardinal der Römischen Kirche, trug Richelieu kein Bedenken, mit
den Protestanten selbst unverhohlen in Bund zu treten." Ranke, Die Päpste II, 510.