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des Franz.
Geschichte
Geistes
Zeit nicht mehr, wo der Geist der Nation durch solche Künste in
Bewegung gesetzt werden konnte. Dennoch verdienen die Beschul-
digungen bemerkt zu werden, denn sie bezeichnen die Richtung,
welche die öffentlichen Angelegenheiten nahmen, und die Erbitte-
rung, womit die geistlichen Klassen die Zügel der Gewalt ihren
Händen entschlüpfen sahen. Dies Alles war in der That so offen-
bar, dass in dem letzten Bürgerkriege, der sich gegen Richelieu
nur zwei Jahre vor seinem Tode erhob, die Empürer in ihrer Pro-
elamation sagten, eine ihrer Absichten Wäre, die Achtung, Womit
die Geistlichkeit und der Adel früher behandelt worden waren,
wieder zu belebenf")
Je mehr wir Richeliefs Geschichte.studiren, desto hervor-
stechender wird dieser Gegensatz. Alles zeigt, dass er sich des
grossen Kampfes vollkommen bewusst War, der zwischen der alten
kirchlichen Regierungsform und dem neuen weltlichen System ge-
kämpft wurde, und dass er entschlossen war, die alte Form nieder-
zuwerfen und die neue aufrecht zu erhalten. Denn nicht nur in
seiner innern, sondern auch in seiner anssern Politik finden wir
dieselbe unerhörte Missachtung theologischer Interessen. Das Haus
Oesterreich, besonders in seiner spanischen Linie, war von allen
frommen Leuten lange als der treue Verbündete der Kirche ge-
achtet worden; man sah es als die Geissel der Ketzerei an, und
seine Massregeln gegen die Ketzer hatten ihm einen grossen Namen
in der Kirchengeschichte gewonnenfn) Als daher die Französische
Regierung unter Karl IX. mit voller Ueberlegung den Versuch
machte, die Protestanten zu vertilgen, gründete Frankreich natür-
licher Weise eine intime Freundschaft, sowohl mit Spanien als
mit Rom und diese drei grossen Mächte waren in einem engen
Bündniss nicht aus gemeinsamen weltlichen Interessen, sondern
durch die Gewalt einer religiösen Uebereinkunft. Dieses theologische
Bündniss wurde nachher durch den persönlichen Charakter Hein-
91) Sismandi XXIII, 452, 453,
W) Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts war "ältester Sohn der Kirche" der
unerkannte und wohlverdiente Titel der Könige von Spanien. De 17mm, Hist. univ.
XI, 280. Duplessis Mowiay, et corresp. XI, 21. Ueber die Ansichten, welche
die Katholiken im Anfange des 17. Jahrhunderts allgemein von Spanien hegten, siehe
Jlleön. de Fontemy Mareuil I, 189; Mäm. de Bassompierre I, 424.
93) Ueber die Verbindung seiner auswärtigen Politik und des Blutbades der Bar.
tholomäusnacht siehe Oupeßgue, Hist. de Za wgf. III, 253,268, 269.