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des
Geschichte
Franz.
Geistes
lieu wurde in diesen und ähnlichen Maassregeln durch den Geist
des Zeitalters unterstützt, der seine früheren Meister gering zu
schätzen begann. Dass dies die allgemeine Richtung war, wurde
jetzt nicht nur in Literatur und Politik, sondern auch durch das
Verfahren der gewöhnlichen Gerichte oifenbar. Der Nuntius beklagt
sich mit Unwillen über die Feindseligkeit, welche die Französischen
Richter gegen die Geistlichen zeigten, und sagt, unter andern
schmachvollen Vorgängen wären einige Geistliche gehängt worden,
ohne vorher ihrer geistlichen Würde entkleidet worden zu seinhß)
Bei andern Gelegenheiten zeigte sich die wachsende Verachtung
auf eine Weise, die ganz zu der Rohheit der herrschenden
Sitten passte. Sourdis, Erzbischof von Bordeaux, wurde zweimal
schimpiiich durchgeprügelt, einmal von dem Duc d'Epernon und
nachher von dem Marechal de Vitry.84) Und Richelieu, der sonst
die Adeligen mit so grosser Strenge behandelte, schien gar nicht
darauf versessen, diese gröbliche Gewaltthätigkeit zu strafen. Ja,
der Erzbischof fand nicht nur keine Theilnahme, sondern erhielt
sogar einige Jahre später von Richelieu den ausdrücklichen Befehl,
sich in seine Diöcese zurückzuziehn; die Verhältnisse jedoch beun-
ruhigten ihn so sehr, dass er nach Carpentras floh und sich unter
den Schutz des Papstes begab. 85), Dies geschah 1641. Neun Jahre
83) „Die Nuntien finden kein Ende der Beschwerden, die sie machen zu müssen
glauben, vorzüglich über die Beschränkungen, welche die geistliche Jurisdiction er-
fihre Zuweilen werde ein Geistlicher hingerichtet, ohne erst deg-radirt zu sein."
Ranke, Die Päpste III, 157: eine Zusammenstellung aus dem Jahre 1641 der_Be-
schwerden des damaligen Nuntius und seines Vorgängers. Le Vassor, Hist. de
Louis XIII, V, 51 giebt einige merkwürdige Fälle, in denen sich die Erbitterung
zwischen dem Klerus und den weltlichen Tribunalen Frankreichs im Jahre 1624 zeigte.
34) Sismondi, Hist. des Fmngais XXIII, 301; Mem. de Bassompicrre III, 302,
353. Bazin erwähnt diese schmachvolle Geschichte und sagt nur Hist. de Louis XIII,
III. 453: „1Ie marächal de Vilry, suivant Pexemple qui im" en zweit dannä le due
d'Epemon, äemporta Jäzsqaßä le frapper de son bäton." Hinsichtlich Epernoxfs findet
sich der beste Bericht in Mem. de Richelieu, wo es VIII, 194 heisst, der Herzog
habe, als er gerade den Erzbischof peitschen wollte, dem Volke zugerufen: Ultangez-
4102m, vom verrez, comme _fe'trillerai votre erdhevöque." Dies sagte ein Zeuge aus, der
die Worte von dem Herzoge gehört hatte. Vergl. Le Vassor, Hist. de Louis XIII,
X, part II, 97 mit Tallemant des Räume, Historieites III, 116. Des Reaux, der auf
seine Art ein Stück von einem Philosophen war, sagt sehr befriedigt: „C'et arelieeöque
se poiwoit vanter däire Ze präldt du monde gui ewoit 6M le plus bette." Sein Bruder
war Cardinal Sourdis, ein Mann, der zu seiner Zeit einen gewissen Ruf genoss und
von dem eine merkwürdige Anekdote erzählt wird in den Mem. de Oomvzrt 2124-34.
95) Sismondi XXIII, 470. Le Vassor X, part II, 149: „Il fenfuit done Inm-
teusement a Oarpentras sous le proioetion du pape."