Unmittelbare Ursachen der
Franz.
Revolution.
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Ich habe jetzt meine Untersuchung über die Ursachen der
Französischen Revolution zu Ende gebracht; aber ehe ich diesen
Band schliesse, scheint es mir räthlich, die mannichfaltigcn Gegen-
stände, die erörtert worden sind, in ihren Hauptpunkten zusammen-
zufassen, und so kurz als möglich die Abschnitte der langen und
verwickelten Darstellung anzugeben, in der ich zu beweisen ge-
sucht habe, dass die Revolution mit unvermeidlicher Nothwendig-
kcit aus den ihr vorangehenden Verhältnissen entsprang. Eine
solche Zusammenfassung wird dem Leser den ganzen Gegenstand
wieder in's Gedächtniss rufen, jede Verwirrung, welche die Fülle
des Details vielleicht verursacht hat, wieder gut machen, und eine
Untersuchung vereinfachen, die Manehem vielleicht unnöthig in die
Lange gezogen scheinen mag, die aber nicht abgekürzt werden
konnte, ohne in wesentlichen Theilen den Beweis der allgemeinen
Prinzipien zu schwachen, die ich festzustellen suche.
An dem Zustande Frankreichs unmittelbar nach Ludwigs XIV.
Tode haben wir gesehen, dass seine Politik das Land an den
Rand des Verderbens gebracht, und jede Spur freier Forschung
zerstört hatte; dass daher eine Reaetion nothwendig wurde; dass
aber der Stoff zu einer Reaction in einem Volke, das 50 Jahre
lang einem so abschwächenden System ausgesetzt worden, nicht
zu finden war. Dieser Mangel zu Hause veranlasste die ausge-
zeichnetsten Franzosen ihre Aufmerksamkeit nach dem Auslande
zu wenden, und gab Veranlassung zu einer plötzlichen Vorliebe
für die Englische Literatur und für die Denkweise, welche damals
dem Englischen Volke eigenthümlich war. S0 wurde neues Leben
in den verderbten Organismus der Französischen Gesellschaft ein-
gehaucht, und es entstand ein eifriger forschender Geist, wie er
seit den Tagen'Deseartes' nicht mehr gesehen worden war. Die
oberen Klassen fanden sich durch diese unerwartete Bewegung
beleidigt, versuchten sie zu ersticken und machten heftige Anstren-
gungen, die Liebe zur Forschung, die täglich neuen Boden ge-
wann, zu zerstören. Um ihren Zweck zu erreichen, verfolgten sie
die Schriftsteller mit solcher Bitterkeit, dass es einleuchtend wurde,
der Französische Geist müsse entweder in seinen früheren Servilis-
mus zurückfallen, oder kühn die Offensive ergreifen. Zum Glück
für das Interesse der Civilisation wurde der letztere Weg einge-
schlagen, und im Jahre 1750 oder um die Zeit begann ein Kampf
auf Tod und Leben, in welchem die Prinzipien der Freiheit, die
Frankreich aus England entnahm, und die man früher nur für an-