der Franz.
Unmittelbare Ursachen
Revolution.
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in der vorhergehenden Generation befolgt hatte. '50) Gegen diese
Bewegung haben die Französischen Physiologen alle miteinander
immer protestirt, und es lässt sich deutlich beweisen, dass ihre
Opposition, die selbst durch Ouvier's grosses Talent nicht zum
Uebergange bewogen werden konnte, zum Theil dem Anstoss zu
verdanken ist, den Bichat gegeben, indem er in seiner Wissen-
schaft auf der Nothwendigkeit bestand, die Anmassungen zu ver-
werfen, mit denen Metaphysiker und Theologen jede Wissenschaft
zu beherrschen suchen. Um dies zu erläutern, will ich zwei merk-
würdige Thatsachen erwähnen. Die erste ist: In England, wo
eine lange Zeit Bichats Einfluss kaum gefühlt wurde, haben viele
selbst von unsern ausgezeichneten Physiologen eine entschiedene
Neigung gezeigt, sich mit der reactionaren Partei zu verbinden,
und nicht nur dem Neuen, das sie nicht gleich erklären konnten,
sich widersetzt, sondern auch ihre eigene herrliche Wissenschaft
dadurch erniedrigt, dass sie dieselbe zu einer Magd im Dienste
der natürlichen Theologie hergaben. Die andere Thatsaehe ist,
dass in Frankreich die Schüler Bichafs fast ohne Ausnahme das
Studium der Endursaehen verworfen haben, welchem die Schule
Cuvier's noch anhängt, während in natürlicher Folge davon die
Schüler Biehatls in der Geologie sich der Lehre der gleichmassigen
Entwickelung anschliessen, in der Zoologie der der Verwandlung
der Arten, und in der Astronomie der Nebelhypothese, grossaitigen
und herrlichen Gedanken, unter deren Schirm der menschliche Geist
dem Dogma übersinnlichen Eingreifens zu entgehen sucht, welches
der Fortschritt der Wissenschaft überall beschränkt, und dessen
Existenz sich mit den Begriffen ewiger Ordnung, worauf wir in
den letzten 200 Jahren beständig losgesteuert sind, nicht verträgt.
Diese grossen Erscheinungen, die uns der Französische Geist
zeigt, und die ich nur in flüchtiger Skizze gezeichnet habe, werden
W) In Liteiatur und Theologie waren Chateaubriand und De Maistre gewiss die be-
redtesten und wol auch einflussreichsten Führer dieser Reaetion. Keiner von ihnen fand
Gefallen an der Induction, sondern jeder zog es vor deductiv aus angenommenen Prämissen
zu raisonniren. Sie nannten diese Voraussetzungen höchste Principien. De Maistre
jedoch war ein starker Dialektiker und darum werden seine Werke von manchen ge-
lesen, die sich aus GhateaubrianrYs glänzenden Deelanxationen nichts machen. In der
Metaphysik trat eine ganz ähnliche Bewegung ein; und Laromiguiere, Royer Oollard
und Maine de Biran gründeten die berühmte Schule, die in Cousin gipfelte, und die
sich eben so durch Unwissenheit in der Philosophie der Induetion auszeichnet, als
durch mangelndes Interesse an der Naturwissenschaft.
Buckle, Gesell. d. Civilisation 1. 2. 23