Volltext: Geschichte der Civilisation in England (Bd. 1, Abth. 2)

Unmittelbare 
der 
Ursachen 
Franz. 
Revolution. 
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können wir sagen, jedes der drei Hauptvölker Europa's hatte im 
18. Jahrhundert seine eigne Rolle zu spielen. England breitete 
die Liebe zur Freiheit aus, Frankreich die Kenntniss der Natur- 
wissenschaften, während Deutschland, bis zu einem gewissen Grade 
von Schottland unterstützt, das Studium der Metaphysik neu belebte 
und das philosophische Geschichtsstudium auf brachte. Diese Thei- 
lung leidet natürlich wohl einige Ausnahmen; dass dies aber die 
auszeichnenden Charakterzüge der drei Länder waren, ist gewiss. 
Nach Locke's Tode 1704 und nach Newtons Tode 1727 war in 
England ein auffallender Mangel an grossen speculativen Denkern, 
nicht weil es an Talent gefehlt, sondern weil dieses Talent 
theils auf praktische Unternehmungen, theils auf politische Kämpfe 
verwendet wurde. Ich werde später auf die Ursachen dieser Er- 
scheinung zurückkommen und festzustellen suchen, in welchem 
Grade sie auf das Schicksal unseres Vaterlandes eingewirkt hat. 
Dass die Folgen im Ganzen wohlthätig gewesen, bezweifle ich 
nicht; aber sie waren ohne Frage nachtheilig für den Fortschritt 
der Wissenschaft, denn sie hatten- die Richtung den Geist von allen 
neuen Wahrheiten abzulenken, ausser wenn diese etwa offenbaren 
und praktischen Nutzen versprachen. Die Engländer machten daher 
zwar wohl einige grosse Entdeckungen, aber 70 Jahre lang be- 
sassen sie nicht einen einzigen grossen Mann, der wirklich umfas- 
sende Ansichten über die Naturerscheinungen aufgestellt hatte, nicht 
einen einzigen, der mit den berühmten Denkern, die in Frankreich 
alle Zweige der Naturwissenschaft reforrnirten, zu vergleichen ge- 
Wesen Wäre. Und erst zwei Generationen nach dem Tode Newtons 
zeigten sich die ersten Symptome einer fühlbaren Reaction, die 
so grossen Geist, denn er beruht auf der Verwechslung von Ursache und Bedingung. 
Dass ein Mann wie Voltaire ein Versehen begehen konnte, welches jetzt ein so grobes 
zu sein scheint, ist eine kränkende Betrachtung für alle, die im Stande sind seinen 
umfassenden und scharfen Geist zu würdigen, und mag den Besten unter uns zur 
heilsamen Lehre dienen. Montesquieu und Turgot vermieden diesen Fehler, der Erstere 
insbesondere zeigte ein so ausserordentliches Genie, dass man kaum bezweifeln kann, 
hätte er später gelebt und alle Mittel der politischen Oekonomie und der Naturwissen- 
schaften anwenden können, er würde nicht nur den Ruhm geerntet haben den Grund 
zu einer Philosophie der Mensehengeschichte "zu legen, sondern auch den das Gebäude 
selbst aufzurichten. So aber entdeckte er nicht was der letzte Zweck jeder wissen- 
sehaftliehen Forschung ist, nämlich im Stande zu sein die Zukunft vorherzusagen; und 
nach seinem Tode 1755 richteten alle die ersten Geister Frankreichs, Voltaire allein 
ausgenommen, ihre Aufmerksamkeit auf das Studium der Naturerseheiuungen. 
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