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Ursachen
Unmittelbare
der Franz.
Revolution.
Es ist also klar, nicht denen, die die Regelmässigkeit der Natur
behaupten, sondern denen, die sie leugnen, liegt es 0b, den Beweis
zu führen, denen, die phantastisch eine Periode einführten, der sie
eine imaginäre Katastrophe zuschreiben, während der nach ihrer
Versicherung neue Gesetze eingeführt und eine neue Ordnung ge-
gründet worden. Solche grundlose Annahmen, selbst wenn sie
sich endlich als wahr erweisen sollten, lassen sich bei unserm
jetzigen Zustande der Wissenschaft nicht rechtfertigen und müssen
verworfen werden als die letzten Reste der theologischen Vor-
urtheile, die den Fortschritt jeder Wissenschaft an ihrem Orte ge-
hemmt haben. Diese und alle ähnlichen Vorstellungen erzeugen
einen doppelten Nachtheil. Sie sind schädlich, weil sie den Geist
der Menschen verkrüppeln, indem sie seinen Forschungen Grenzen
setzen; und vornehmlich sind sie schädlich weil sie die grossartige
Anschauung von zusammenhängender und ununterbrochener Gesetz-
lichkeit schwächen, die freilich wenige festzuhalten im Stande sind,
von der aber die höchsten Begriffe künftiger Wissenschaft sehliess-
lich abhängen müssen.
Diese tiefe Ueberzeugung, dass wechselnde Erscheinungen
unveränderlichen Gesetzen unterworfen und alle scheinbare Un-
ordnung auf bestimmte Prinzipien von Ordnung zurückzuführen
sei, sie leitete im 17. Jahrhundert in einem engeren Felde Baco,
Descartes und Newton; sie wurde im 18. Jahrhundert auf alle
Theile des materiellen Universums angewendet; und sie hat das
19. Jahrhundert auf die Geschichte des menschlichen Geistes aus-
zudehnen. Diesen letzteren Wissenszweig verdanken wir. vornehm-
lich Deutschland; denn mit der einzigen Ausnahme Vico's ver-
mutliete auch nicht einmal ein Mensch, dass es möglich sei zu
vollständigen allgemeinen Begriffen über den Fortschritt des
Menschengeschleehts zu gelangen, bis kurz vor der Französischen
Revolution die grossen Deutschen Denker dieses höchste und
schwierigste aller Studien anzubauen begannen. Aber die Fran-
zosen selbst waren zu sehr mit den Naturwissenschaften beschäftigt,
um auf diesen Gegenstand zu achtenfßl) und im Allgemeinen
43') Weder Montesquieu noch Turgot scheinen an die Möglichkeit geglaubt zu
haben, dass man die Vergangenheit so weit begreifen könne, um im Stande zu sein,
die Zukunft vorherzusagen; während bei Voltairäs sonst so tiefen Blicken Iin die
Geschichte der schwächste Punkt seine Vorliebe für den alten Ausspruch war, dass
grosse Ereignisse aus kleinen Ursachen entspringen; ein souderbarer Irrthum für einen